Schwarzes Hemd, schwarze Hose, dazu ein Totenkopfring am Mittelfinger der linken Hand: Tim-Uve Krüger fällt mit seinem Outfit auf – zumindest an diesem Tag. „Normalerweise komme ich so nicht zur Arbeit“, sagt der Industriemeister. Aber heute macht er eine Ausnahme, denn es geht nicht nur um seinen Beruf, sondern auch um sein Hobby. Und das darf man ihm ruhig ansehen: Der 38-Jährige spielt den Bass in einer Metal-Band, die seit über 20 Jahren im Semi-Profi-Bereich erfolgreich ist.

Es war ein glücklicher Zufall, der ihn vor 16 Jahren mit seiner Band zusammengeführt hat. In einem Musikgeschäft in Hannover stieß er auf eine Anzeige: „Taste of Sin sucht neuen Bassisten“. Krüger erinnert sich, dass er eigentlich lieber Gitarre spielen wollte. „Aber die Chance, mit dieser Band, die damals schon bekannt war, zu spielen, konnte ich mir nicht entgehen lassen.“

Vom Bauteil-Fräser zum Leiter der Schneckenabteilung

Seine Karriere beim Maschinenbauer Troester hingegen war kein reiner Zufall. Sein Vater arbeitete 43 Jahre beim hannoverschen Spezialisten für Extrudertechnik und nahm den Sohn ab und an mit in die Werkhallen. „Schon als Kind haben mich die Extruderschnecken fasziniert – die sind das Herzstück eines jeden Extruders“, sagt Krüger. Damals ahnte er noch nicht, dass er selbst einmal ein Berufsleben lang mit ihnen verbringen würde.

Ein Extruder ist eine Förderanlage, mit der feste bis dickflüssige Massen unter hohem Druck durch eine Öffnung gepresst werden. Die Maschinen werden überall in der Prozesstechnik gebraucht – von der chemischen und pharmazeutischen Industrie bis hin zur Lebensmittelproduktion.

„Totenkopfring am Mittelfinger? Normalerweise komme ich so nicht zur Arbeit“

Tim-Uve Krüger

Krügers Weg in die Industrie begann mit einer Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker mit Schwerpunkt CNC-Frästechnik in einem anderen Betrieb. Nachdem dieser in seinem dritten Lehrjahr Insolvenz anmelden musste, wechselte er zu Troester. Anfangs war er für das Fräsen der Bauteile der Extruderschnecken zuständig, danach für die Programmierung. „Irgendwann bin ich gefragt worden, ob ich die Schneckenabteilung leiten will“, sagt Krüger. Das ist nun sieben Jahre her. Heute ist er Industriemeister – und leitet bei Troester ein Team von 19 Mitarbeitern.

Sein Büro mit den großen Glasscheiben liegt mitten zwischen den Maschinen. „Ein großer Vorteil“, sagt Krüger. „So brauchen meine Jungs nur zu winken, wenn es Probleme oder Fragen gibt.“ Sein Arbeitstag beginnt in der Regel um 5.30 Uhr und geht bis mindestens halb drei „In dieser Zeit habe ich gesehen, was in allen drei Schichten passiert, und weiß über alles Wichtige Bescheid.“ Krüger ist in der Schneckenabteilung der alleinige Ansprechpartner und muss dafür sorgen, dass alles läuft.

Wer zu Hause probt, braucht tolerante Nachbarn

Nach Feierabend widmet sich Krüger entweder seiner Familie – er hat eine neunjährige Tochter – oder seiner Musik. Abhängig von ihren Terminkalendern treffen sich die fünf Band-Mitglieder dienstags oder donnerstags bei ihm in der Wedemark. „Früher haben wir in einem Jugendzentrum geprobt. Aber wegen des Auf- und Abbaus blieb oft kaum Zeit für die Musik“, sagt Krüger. In seinem Keller dagegen ist immer alles da: Verstärker, Instrumente – und kalte Getränke.

Zum Glück seien die Nachbarn tolerant, sagt Krüger: „Im Sommer haben wir mal bei offenen Fenstern geprobt. Da schrieb mir ein Freund, der in einem anderen Ortsteil wohnt, eine Nachricht: ‚Ah, ihr probt gerade dieses Stück‘!“ Danach ließ die Band die Fenster lieber geschlossen.

Die Musik von „Taste of Sin“ beschreibt Krüger als Bittersweet Melodic Metal. Ihre Songs schreibt die Band fast alle selbst. Nur ab und zu nehmen sie sich ein Cover vor. Vor zehn Jahren etwa, als sie an einem Bandcontest der Firma Sennheiser teilnahmen: „Damals haben wir ‚I’m the One and Only‘ von Chesney Hawkes neu interpretiert.“ Mit seiner Band hat der Bassist schon einiges erlebt. Einen Auftritt in Schweden beispielsweise, organisiert von einer Verwandten. „Wir hatten ein normales Set vorbereitet, doch unser Publikum konnte gar nicht genug kriegen“, erinnert sich Krüger. „Von uns – und vom Alkohol, den wir mitgebracht hatten.“

„Taste of Sin“: Fast hätte die Band den großen Durchbruch geschafft

Beinahe hätte „Taste of Sin“ sogar den großen Durchbruch geschafft. Bei einem Auftritt im hannoverschen Musikzentrum waren Musikmanager im Publikum, die so begeistert waren, dass sie die Band fürs Vorprogramm von Shows der „21 Pilots“ anfragten. Doch die Sängerin war damals schwanger, und die Band entschied: Entweder kommen alle groß raus – oder keiner.

„Gute Entscheidung“, sagt Krüger heute. Denn für eine Profi-Karriere hätte er vieles andere aufgeben müssen. Sein zweites Band-Projekt zum Beispiel, mit dem er sich den Traum vom Gitarristen dann doch noch erfüllte. Mit einer ehemaligen Klassenkameradin gründete er das Duo „Just Time“, das sich auf „Dark Blues“ spezialisiert hat.

Auch ein eingefleischter Metaller braucht eben mal eine Pause vom Metal.

Zum Unternehmen

  • Die Troester GmbH & Co. KG wurde 1892 von Paul Troester in Hannover gegründet, um im Zentrum der damals aufstrebenden Kautschuk-Industrie Kunden mit modernen Maschinen zur Verarbeitung des Materials zu beliefern.
  • Heute gehört Troester zu den weltweit führenden Herstellern von Anlagen für die Kautschuk-, Kabel- und Rohstoff-Industrie.
  • Das Unternehmen hat rund 650 Beschäftigte und ist in über 40 Ländern aktiv.