Berlin. Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin führte grausam vor Augen: Auch Deutschland steht im Fadenkreuz des Terrorismus.
Das macht immer mehr Menschen große Sorgen. 2016 hatten 73 Prozent Angst vor Anschlägen. Diese Furcht belegte damit erstmals Platz eins in der Studie „Ängste der Deutschen“. In der repräsentativen Untersuchung fragt seit 1991 der Versicherungskonzern R + V nach den Befindlichkeiten in Deutschland.
Mittlerweile sind die Verfahren ausgereift
Die drängende Frage lautet also: Wie schützt man Besucher von Groß- oder Sportveranstaltungen, Pendler, Flugreisende, Kunden in Einkaufszentren? „Methoden der Videoüberwachung sind durchaus geeignet, die Fluchtwege von Terroristen zu verfolgen“, sagt Professor Peter Schmiedtchen. „So kann man das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung befriedigen“, ist der Experte für Gefahrenabwehr an der Hochschule Magdeburg-Stendal überzeugt.
Die Technik dafür gibt es bereits. Moderne Späher wie etwa internetgesteuerte, hochauflösende Kamerasysteme kommen heute bei Zutrittskontrollen in Casinos oder beim Schutz vor Vandalismus zum Einsatz.
Allein 2016 setzten Hersteller wie Bosch Sicherheitssysteme im bayerischen Grasbrunn oder der schwedische Axis-Konzern damit eine halbe Milliarde Euro um – 7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Doch auf öffentlichem Gelände darf die Technik aus Datenschutzgründen bisher nur sehr begrenzt eingesetzt werden. Auch deshalb investiert der Staat in Personal. So entstehen bis zum Jahr 2020 bei der Bundespolizei, die zuständig für die Sicherheit an Bahnhöfen ist, 3.250 neue Stellen.
Gleichzeitig erleichtert ein neues Gesetz den Einsatz moderner Überwachungstechnik – in Bahnhöfen und Flughäfen, auf Plätzen und Autobahnen.
- Automatisch Gesichter abgleichen. Die Deutsche Bahn investiert in den nächsten drei Jahren 95 Millionen Euro in moderne Videotechnik. Dazu gehört ein Pilotprojekt am Bahnhof Berliner Südkreuz. Dort wird ab Herbst 2017 die automatische Gesichtserkennung getestet. „Sie ist mittlerweile eine etablierte Technik“, weiß Jörg Helbig von Cognitec. Die Software des Dresdner Unternehmens kann einzelne Gesichter aus Personengruppen herauspicken und analysieren. Sie vergleicht Augenabstand, Gesichtskonturen oder Mundpartie mit einem hinterlegten Bild.
Bei guten Lichtverhältnissen tricksen sogar Brille, Bart oder Perücke das System nicht aus. So ließen sich potenzielle Attentäter, die den Sicherheitsbehörden schon bekannt sind, aus einer Gruppe unbeteiligter Passanten herausfiltern.
- Bedrohungen früh erkennen. Ähnlich funktionieren Lösungen, die Bedrohliches an Gestik, Mimik oder Körperhaltung ausmachen oder potenzielle Gefahrensituationen wie herrenlose Koffer erkennen. „Die Systeme trainieren Dutzende Verhaltensmuster und lernen immer weiter dazu“, so Bertram Nickolay vom Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin.
- Fälschungen enttarnen. Selbst hinter Masken können sich Kriminelle nicht mehr verstecken. An deutschen Flughäfen stellen oft elektronische Erkennungssysteme (E-Gates) fest, ob der Reisende dieselbe Person ist wie auf dem Passfoto. Mittlerweile setzen die Betreiber dabei auch Nahinfrarot-Punktsonsoren ein. Sie unterscheiden menschliche Haut von Künstlichem, indem sie das Gesicht mit nicht sichtbaren Lichtimpulsen scannen. „Die Erkennungsrate bei Täuschungsversuchen lag in unseren Tests bei fast 100 Prozent“, sagt Norbert Jung vom Institut für Sicherheitsforschung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
- Fluchtwege ausmachen. Auch die Flucht über Autobahnen wird bald erschwert. In Sachsen setzen heute schon Fahnder sechs mobile Kfz-Scanner ein, die automatisch Kennzeichen erfassen. Die hochauflösenden Linsen mit Infrarot-Blitz erkennen Nummernschilder selbst bei schlechtem Wetter und in tiefster Nacht.
1,6 Milliarden Euro dürfen die Sicherheitsbehörden laut dem aktuellen Bundeshaushalt bis 2020 für mehr Personal und solche Überwachungstechnik ausgeben. Der können auch Datenschützer Positives abgewinnen. „Es muss nicht mehr 24 Stunden lang alles gefilmt und vorgehalten werden“, so Stefan Brink, Chef-Datenschützer in Baden-Württemberg. „Bis zu 99 Prozent der Aufnahmen könnten gelöscht werden, wenn die Software nichts Auffälliges entdeckt.“
Cyber-Feuerwehr
Eine 20-köpfige Eingreiftruppe des Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik soll Behörden, Elektrizitätswerke oder Krankenhäuser bei Hacker-Angriffen helfen und beraten.
In München entsteht die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich. Hier sollen 400 Experten Methoden und Software entwickeln, um wichtige Infrastruktureinrichtungen besser zu schützen.