Rasante Transformation der Auto-Industrie, hohe Kosten am Standort Deutschland, starke Konkurrenz aus China: Die Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie (M+E) stehen unter Druck wie selten zuvor. Was bedeutet das für die laufende Tarifrunde? aktiv hat dazu Oswald Bubel befragt, den Präsidenten des Arbeitgeberverbands ME Saar.
Herr Bubel, Sie sind Verhandlungsführer der Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen für die gut 40.000 Beschäftigten in der Metall- und Elektro-Industrie des Saarlands. Die IG Metall hat ja eine Tariferhöhung von 7 Prozent gefordert. Was sagen Sie dazu?
Die Gespräche mit der Gewerkschaft sind konstruktiv, aber nicht einfach. Wir bewegen uns in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit, das zeigen aktuelle Zahlen. Die Produktion ist im ersten Halbjahr um 7 Prozent gesunken – seit der Hochphase im Jahr 2018 sogar um 15 Prozentpunkte. Und auch die Aufträge gehen zurück. Es ist also nicht die Zeit für überzogene Forderungen.
Die Gewerkschaft führt eine absehbare Erholung ins Feld …
Diese Erholung sehen wir leider nicht. Im Gegenteil: Auch die gewerkschaftsnahen Institute gehen von einer längeren Durststrecke aus. Dazu haben wir strukturelle Probleme, die uns im Wettbewerb mit anderen Industrienationen belasten. Ich nenne die hohen Energiepreise, die hohen Arbeitskosten und vor allem den hohen bürokratischen Aufwand. All das verschlechtert unsere Position im Weltmarkt. Dazu kommt noch die Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg – und durch den zunehmenden Protektionismus weltweit. Den Befreiungsschlag für die M+E-Industrie können wir vor diesem Hintergrund nicht erkennen.
Was wäre denn dann aus Ihrer Sicht ein realistischer Abschluss?
Über konkrete Zahlen reden wir in den Verhandlungen, nicht in der Öffentlichkeit. Wir müssen uns aber schon die Frage stellen, was es überhaupt zu verteilen gibt. Es ist richtig, dass auch unsere Beschäftigten unter den gestiegenen Preisen leiden und dass sie berechtigterweise auf eine gewisse Erhöhung hoffen. Wichtig ist es jetzt, eine Lösung zu finden, die die Unternehmen im Wettbewerb nicht überfordert.
Die IG Metall hat ebenfalls gefordert, die T-Zug-Tage – also die Option, tarifliches Zusatzgeld gegen freie Tage zu tauschen – auf mehr Arbeitnehmer auszuweiten. Wie stehen die Arbeitgeber dazu?
Grundsätzlich gilt, dass die Arbeit in den Unternehmen auch erledigt werden muss. Wir werden die großen Herausforderungen, vor denen die Industrie steht, nicht bewältigen, wenn wir weniger arbeiten. Im internationalen Vergleich liegen die Arbeitszeiten in Deutschland weit unter dem Durchschnitt. In den noch vor uns liegenden Verhandlungen werden wir das deutlich betonen.
„Wir müssen gemeinsam unsere Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und den Standort stärken."
Oswald Bubel, Präsident von ME Saar
Was sollte noch in den Tarifabschluss einfließen?
Für uns ist es sehr wichtig, dass der Abschluss die große Bandbreite unserer Branche widerspiegelt. Wir haben Unternehmen, die auch in dieser schwierigen Situation ordentliche Ergebnisse erzielen. Und wir haben Unternehmen, die angesichts einer Schieflage über Verlagerungen nachdenken oder gar um ihre Existenz kämpfen. In den vergangenen Jahren haben wir hierfür eine automatische Differenzierung geschaffen, die es erlaubt, beim Unterschreiten einer bestimmten Kennzahl Entgeltanteile auszusetzen. Diese Regel sollten wir verstetigen.
Wie ist die Lage speziell im Verbandsgebiet?
Das Saarland ist Autoland. Über 30.000 Menschen arbeiten hier für die Auto-Industrie, 18.000 von ihnen direkt für die Verbrennertechnik. Der Anteil ist höher als in anderen Bundesländern. Entsprechend hoch ist der Druck, den die Unternehmen durch die Transformation verspüren. Und umso wichtiger ist es, sie nicht durch einen zu hohen Tarifabschluss zu überfordern.
Die Gewerkschaft meint, dass angesichts der strukturellen Probleme Lohnkosten in der Krise nur eine Nebenrolle spielen und dass Verzicht die Probleme nicht löst.
Mit Verlaub: Das ist Unsinn. Mit einer solchen Aussage macht sich die IG Metall unglaubwürdig, denn dann hätten ja auch die von Unternehmen und Gewerkschaften gemeinsam unterschriebenen Sanierungstarifverträge keine Wirkung. Ich sehe das vor allem als Parole. Es ist klar, dass wir als Sozialpartner gemeinsam unsere Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und den Standort stärken müssen. Und ich setze fest darauf, dass uns dies mit einem tragfähigen Abschluss gelingen kann.
Die Lage
- Die Metall- und Elektro-Industrie (M+E) mit knapp vier Millionen Beschäftigten in 25.000 Betrieben bundesweit befindet sich seit Jahren in der Rezession.
- Die Produktion schrumpfte von Januar bis August 2024 um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Gegenüber dem Vorkrisenstand von 2018 liegt sie sogar um 15 Prozentpunkte zurück.
- Die Auftragseingänge sanken von Januar bis August um 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
- Dazu muss man wissen: Die Arbeitskosten der M+E-Betriebe sind seit 2015 um fast 30 Prozent gestiegen.
Das Angebot
Die Arbeitgeber der M+E-Industrie haben Mitte Oktober in der zweiten Verhandlungsrunde der Tarifrunde ein Angebot unterbreitet. Es sieht vor:
- Eine Tariferhöhung in Summe von 3,6 Prozent bei einer Laufzeit von 27 Monaten.
- Die Erhöhung erfolgt in zwei Stufen: 1,7 Prozent zum 1. Juli 2025 und 1,9 Prozent zum 1. Juli 2026.
- Zudem ist eine einmalige überproportionale Anhebung der Ausbildungsvergütungen im Rahmen eines Gesamtpakets vorstellbar.