Remscheid. Dieser Mann mag es richtig laut. Deshalb passen die beiden „Abteilungen“, in denen Martin Grünert privat und beruflich aktiv ist, perfekt zusammen: „Trennen und Sägen“ heißt die eine, „Geräusch“ die andere. Letztere Bezeichnung ist allerdings ein bisschen selbstironisch. „Noise Department“, so der englische Name, ist die Band, in der Grünert seit bald 20 Jahren Sänger und Frontmann ist. Eine Cover-Formation, die AC/DC und Billy Idol, die Red Hot Chili Peppers und andere Rock-Größen auf dem Programm hat. Manchmal auch richtig Heavy Metal.
Heute Mittag ist er wieder in der Abteilung Trennen und Sägen. Die gehört zum Remscheider Unternehmen Karl Diederichs (Markenname Dirostahl) – einem Stahl-, Walz- und Hammerwerk, das Schmiedestücke bis zu 35 Tonnen Gewicht und Metallringe bis zu dreieinhalb Meter Durchmesser mit Brachialgewalt in Form bringt. Die werden etwa für die Produktion von Schiffen, Windrädern, Kränen und Industrieanlagen benötigt.
Grünert ist gelernter Koch, doch die Arbeitszeiten gefielen ihm nicht
37 Jahre schon arbeitet Martin Grünert in der Firma, hat verschiedene Abteilungen durchlaufen. Seit zwei Jahren ist er für die Verteilung und den Transport von Material innerhalb der Produktion verantwortlich, bewegt sich mit seinem Stapler zwischen Schmiede, Hammerwerk und eben der Abteilung, in der mit viel Krach Metallstücke gesägt und getrennt werden.
Eigentlich hatte er Koch gelernt, aber die Arbeitszeiten, oft am Abend und an Wochenenden, gefielen ihm auf Dauer nicht. Und so kam er über seinen Bruder, der schon dort arbeitete, zu Dirostahl.
Als Kind träumte der Dirostahl-Mitarbeiter einmal davon, ein Star zu werden
Die Musik aber war schon viel früher Teil seines Lebens. „Als Kind habe ich schon gesagt: Später mal stehe ich vor Tausenden Leuten auf der Bühne und alle rufen ‚Martin!, Martin!‘“
Aus der Rockstar-Karriere wurde nichts, aber zumindest die kleineren Bühnen eroberte er dann noch mit Anfang 40. „Noise Department“ spielt auf Stadtfesten und Hochzeiten, in Klubs und Kneipen. Die vierköpfige Band genießt jeden Auftritt, auch vor kleinem Publikum. Derzeit geht gar nichts, „außer einmal die Woche im Proberaum“. Grünert hat die Corona-Pause aber genutzt, um mit anderen Musikern ein professionelles Projekt auf die Beine zu stellen. Nicht mit Coversongs, sondern einem eigenen Stück eines Gitarristen, und einem aufwendig produzierten Video.
Gesangsunterricht? Hatte Martin Grünert vielleicht zweimal eine halbe Stunde
Und Stimme hat er. Rau, kraftvoll, mit einem ganz eigenen Timbre. Gesangsunterricht hatte er vielleicht zweimal eine halbe Stunde, das hat irgendwie nicht gepasst. „Heute verstehe ich manche Dinge, die man mir damals beibringen wollte.“
Üben und Texte auswendig lernen kann er sogar während der Arbeit. „Auf dem Stapler singe ich praktisch immer, da hört mich keiner – und die Arbeit beeinträchtigt es auch nicht“, erzählt Grünert lachend. Das ist wohl auch gut so für jemanden, der „nebenbei“ auch Frau und Kinder hat, Motorrad-Fan und begeisterter Sportler ist. Aber das geht alles zusammen, weil die wichtigste Bedingung erfüllt ist: „Die Musik macht Spaß und verbindet, und die Arbeit auch.“
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich wollte geregelte Arbeitszeiten, die ich als Koch nicht hatte. Zu Dirostahl bin ich über meinen Bruder gekommen und habe hier schon viele Abteilungen durchlaufen.
Was reizt Sie am meisten?
Vor allem der Kontakt mit den Kollegen aus den verschiedenen Bereichen. Ich wusste von meinem Bruder, dass hier eine familiäre Atmosphäre herrscht.
Worauf kommt es an?
In einem Betrieb mit so vielen verschiedenen Abteilungen, mit dieser großen Struktur, ist es spannend und wichtig, flexibel – und ein Teamplayer zu sein.
Werner Grosch war lange Jahre leitender Redakteur einer Tageszeitung mit den Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Für aktiv schreibt er Reportagen aus Unternehmen der Metall- und Elektrobranche und porträtiert Mitarbeiter aus diesen Branchen mit ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten oder Hobbys. Privat und beruflich ist er am liebsten mit dem Rad unterwegs.
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