Gaggenau. Wenn Bianca Essler, Christin Reichardt, Stefanie Kraft und Agnes Nowackzyk im Blaumann in der Lehrwerkstatt für Werkzeugmechaniker im Daimler-Werk in Gaggenau stehen, ist das erst einmal nicht ungewöhnlich. Denn auch in diesem Beruf ist inzwischen rund ein Sechstel der Auszubildenden weiblich. Die vier jungen Frauen sind dennoch etwas Besonderes. Sie sind alleinerziehende Mütter und absolvieren ihre Ausbildung in Teilzeit. Im Daimler-Konzern sind sie damit die Vorreiterinnen.
30-Stunden-Woche und flexible Arbeitszeiten
Teilzeit heißt für die jungen Frauen, dass sie 30 Stunden pro Woche arbeiten. „Für sie gilt außerdem ein Gleitzeitmodell“, erläutert Gerwin Kohlbecker, Ausbildungsleiter für das Werk in Gaggenau. Schließlich sollen die jungen Mütter flexibel sein, falls beispielsweise ein Kind kurzfristig krank wird.
Der Alltag mit Familie und Ausbildung ist so zu bewältigen, bestätigen alle vier. Das verlangt ihnen allerdings einiges ab. „Mein Tag beginnt stets um fünf Uhr“, berichtet Agnes Nowackzyk. Die 26-Jährige macht Frühstück für ihre vier und neun Jahre alten Söhne, bringt den größeren in den Hort und den kleinen in den Kindergarten, bevor sie um halb acht an ihrem Ausbildungsplatz steht.
Nachmittags ab 16.15 Uhr ist sie unterwegs, um die Kinder wieder abzuholen. Das dauert eine Dreiviertelstunde, weil sie an ihrem Wohnort keinen Ganztags-Kindergartenplatz bekommen hat.
„Einkaufen gehen wir dann meist zusammen, damit ich die Kinder etwas länger sehe“, erzählt sie. Und wenn die beiden Jungen im Bett sind, heißt es für Agnes Nowackzyk lernen, um in der Berufsschule mitzukommen.
„Am Anfang war das eine große Umstellung, für mich und die Kinder“, sagt sie. „Doch jetzt machen sie alles gut mit.“
Ausbilder lobt das gute Selbstmanagement der vier jungen Frauen
Das Thema Teilzeitausbildung hat im nördlichen Baden der Katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit In Via angestoßen. Hans-Peter Schaible, der in Gaggenau für die Ausbildung der Werkzeugmechaniker verantwortlich ist, wurde auf das Projekt „AB jetzt!“ aufmerksam und bot an, sich des Themas anzunehmen.
Im Herbst 2013 wurden mit Bianca Essler und Agnes Nowackzyk die ersten Teilzeit-Azubis eingestellt, in diesem Jahr die nächsten beiden. Und für das kommende Jahr läuft bereits das Auswahlverfahren.
Schaible weiß die Lebenserfahrung seiner Teilzeit-Azubis zu schätzen. „Ihr Selbstmanagement ist viel besser als bei den anderen Auszubildenden“, hat der Ausbildungsmeister in den vergangenen Monaten festgestellt.
Das brauchen die vier jungen Frauen auch, nicht nur um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen: Sie müssen auch das gleiche Ausbildungspensum in weniger Zeit absolvieren. Denn trotz Teilzeit ist die Lehre nicht länger, endet nach dreieinhalb Jahren.
Für die Zeit danach haben alle Pläne. Sie wollen im Daimler-Werk als Werkzeugmechanikerinnen arbeiten, aber nicht in Teilzeit. „Die Kinder sind dann ja schon größer“, sagt Christin Reichardt. Und die anderen drei nicken zustimmend.