Leinfelden-Echterdingen. TV Echterdingen gegen Bradford City: Bei dem Fußball-Freundschaftsspiel an einem Samstagnachmittag im Juli geht es unter den Männern fair, aber trotzdem hart zur Sache. Mittendrin auf dem Platz eine Frau, die das Geschehen im Griff hat: Melissa Joos, Schiedsrichterin und Elektro-Ingenieurin bei der Firma Euchner in Leinfelden bei Stuttgart. Joos pfeift in der Verbandsliga der Herren – und bei den Damen sogar in der Bundesliga.
In Männerbastionen kennt sich Melissa Joos aus. Am Stammsitz von Euchner arbeitet sie als Projektleiterin an der Weiterentwicklung von Schaltsystemen für den Maschinen- und Anlagenbau. Mit gerade einmal 25 Jahren leitet sie ein kleines Projektteam von fünf Kollegen. Joos ist eine echte Schnellschalterin. Vor gut drei Jahren hat sie ihr Ingenieurstudium mit dem Bachelor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg abgeschlossen, heute übernimmt sie ganz selbstverständlich Verantwortung. „Bei Euchner wurde ich vom ersten Tag der Ausbildung an gefördert und gefordert“, erklärt Joos ihren Aufstieg.
Die Initialzündung für ihren Einstieg bei dem Sicherheitsexperten gab der Leiter der Euchner-Personalabteilung. „Er hat an unserem Gymnasium in Echterdingen das Unternehmen und die vielfältigen Chancen vorgestellt und mich total begeistert.“
Über solche Bildungspartnerschaften mit Schulen will die Industrie junge Frauen dazu ermutigen, einen technischen Beruf zu ergreifen. In den mathematischen und technischen Studiengängen ist derzeit nur jeder dritte Studierende weiblich. Im Maschinenbau und der Verfahrenstechnik liegt der Anteil bei 21 Prozent, in der Elektro- und Informationstechnik nur bei 15 Prozent, trotz hervorragender Berufschancen.
Bei Melissa Joos hält die Begeisterung bis heute an. In ihrem Projekt forscht und entwickelt sie an der Vernetzung der verschiedenen Sicherheitssysteme. In den Tür-Sicherheitsschaltern von Euchner schlägt schon heute ein hochkomplexes elektromechanisches Herz. Über den Schutz von Mitarbeitern und Produkten hinaus werden in Zukunft Sicherheitssysteme vielfältige Diagnose-Aufgaben übernehmen. „Wir erheben wichtige Umweltinformationen oder Statusdaten, die wir dann an andere Bereiche übermitteln können“, so Joos.
Der Kontrast zur Elektronik-Entwicklung steht dann am Wochenende auf dem Programm. Die Frauenspiele sind über ganz Deutschland verteilt: Potsdam, München oder Köln. Ihr Ziel für die kommenden Jahre: Fifa-Schiedsrichterin, um auch internationale Spiele zu leiten.
„Högschd diszipliniert“, wie Bundestrainer Jogi Löw sagen würde, bestreitet sie ihren beruflichen wie privaten Alltag. „Anders wäre dieses Pensum auch nicht zu schaffen“, sagt Joos.
Entscheidungsfreude hilft ihr auch im Job
Ihr Arbeitgeber Euchner, ein Mittelständler mit 750 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 140 Millionen Euro, unterstützt sie mit flexiblen Arbeitszeiten und ermöglicht es ihr, auch zeitaufwendige Schiedsrichter-Lehrgänge zu belegen. Dabei stellt die junge Frau klar: „Die Schiedsrichterei ist nur Hobby, mein Beruf hat absolute Priorität.“ Ihre Fähigkeiten als Schiri – schnelle Auffassungsgabe, Entscheidungsfreude und Menschenkenntnis – helfen ihr auch im Job weiter.Ein Auslandseinsatz steht zwar aktuell nicht an; die Chance würde sie jedoch ergreifen. Die 40 Euchner-Tochtergesellschaften sind weltweit verteilt.
Und vielleicht arbeitet Melissa Joos irgendwann in Südeuropa und pfeift am Wochenende Real Madrid gegen den FC Barcelona.
Persönlich
Wie kamen Sie zu dem Beruf?
Mein hohes Interesse an Technik mit dem Ziel, Dinge zu verbessern, hat mich zur Firma Euchner geführt.
Was reizt Sie am meisten?
Verwirklichen von Entwicklungsprojekten für Sicherheitssysteme und ein besseres Verständnis über die Elektronik, die man auch im Alltag verwendet.
Worauf kommt es an?
Mitbringen sollte man Faszination, Begeisterung und Leidenschaft für die Technik.