Heilbronn. Jeden Tag reißen wir ihn auf, werfen ihn dann achtlos weg. Er bringt uns Rechnungen, gute oder schlechte Nachrichten, Werbung – und manchmal sogar Liebesgrüße: der Briefumschlag. Gut 64 Milliarden Stück werden pro Jahr allein in Europa produziert. 2005 waren es noch stolze 110 Milliarden Stück. Durch die drastischen Einbußen stehen die Hersteller enorm unter Druck – und versuchen, mit Neuerungen gegenzuhalten. Zum Beispiel mit Kuverts, die erst nach dem Öffnen duften!

„Die elektronischen Medien wie E-Mail, Whatsapp und Co. machen uns zu schaffen“, sagt Thomas Schwarz, „also müssen wir dort punkten, wo die Elektronik nicht mithalten kann.“

Schwarz ist Geschäftsführer von Mayer-Kuvert-network, dem führenden Briefhüllen-Hersteller in Europa: Zum Netzwerk gehören inzwischen mehr als 40 Firmen in über 20 Ländern, die rund 20 Milliarden Kuverts pro Jahr liefern. Von den insgesamt 1.700 Mitarbeitern arbeiten 700 in Deutschland und 180 am Stammsitz im baden-württembergischen Heilbronn.

Künftig will man die Kunden auch emotional ansprechen – durch Fühlen und sogar Riechen. Speziell präparierte Briefhüllen sollen den Geruchssinn des Empfängers ansprechen „und so eine erhöhte Kaufbereitschaft auslösen“, wie Schwarz erläutert. „Eine Mail kann Wörter, Bilder und Töne transportieren, aber der Geruchssinn bleibt in der virtuellen Welt komplett auf der Strecke.“

Das Konzept, gemeinsam mit Duftforschern der Uni Göttingen entwickelt, ist besonders für Werbepost attraktiv. Eine Datenbank mit selbst programmierter Software kreiert auf bestimmte Mailing-Themen zugeschnittene Düfte. Die werden in Mikrokapseln aufs Papier aufgetragen und entfalten nach dem Öffnen ihren Geruch, der auch am Kuvertinhalt haften bleibt. So soll der Duft von Sonnencreme Lust auf eine Mittelmeerreise machen oder Kaffee-Aroma Begeisterung für Lederwaren wecken.

Schon heute kommt jede zweite in Deutschland verwendete Briefhülle von Mayer: Rund 650 verschiedene Umschläge, Versandtaschen und Versandverpackungen bieten die Heilbronner allein im Standardprogramm an – darunter etwa gelbe Umschläge für Post vom Gericht. Dazu kommen für Kunden entwickelte Produkte, zum Beispiel Samenbeutel mit Eurolochung, CD-Hüllen mit Bindfaden-Verschluss, runde Infopost-Umschläge oder spezielle Kuverts zum Verschicken von Schokolade. Und nun die Duft-Umschläge – Geschäftsführer Schwarz setzt große Hoffnungen in sie.

Nachfrage nach Kuverts geht dramatisch zurück

Denn bis 2025 wird die Anzahl verkaufter Briefhüllen in Europa weiter schrumpfen: Um ein weiteres Drittel auf 40 Milliarden, schätzt man in Heilbronn. Und Schwarz hat sofort ein Beispiel parat. Ein großes deutsches Unternehmen hat 2007 noch 750 Millionen Kuverts mit Rechnungen und Werbung verschickt. 2013 waren es nur noch 150 Millionen, da man die Rechnungen auch übers Internet bekommt.

„Der Branche steht weiterhin ein dramatischer Konsolidierungsprozess bevor“, warnt Schwarz. „Da müssen wir uns mit innovativen Ideen am Markt behaupten.“