Augsburg. Die Masern breiten sich wieder aus: Rund 112.000 Kranke zählte die Weltgesundheitsorganisation WHO in den ersten drei Monaten 2019 (zum Vergleich: Im ersten Quartal 2018 waren es nur 28.000 Masernfälle). Hierzulande sind bis Mitte April 296 Menschen erkrankt.

Die Virenerkrankung ist hoch ansteckend. 45 Prozent der Patienten mussten zuletzt in die Klinik. Und im Schnitt stirbt einer von 1.000 Kranken an den Folgen der Masern. Die Politik will den Ausbrüchen nun nicht mehr tatenlos zusehen – und deshalb die Schutzimpfung vorschreiben. 

Laut Infektionsschutzgesetz kann Gesundheitsminister Spahn Impfungen vorschreiben

Anfang Mai hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn einen Entwurf für ein Masernschutzgesetz vorgelegt. Damit will er vor allem Kinder in Kitas und Schulen schützen: „Wir müssen alles tun, die Impfquote dort über 95 Prozent zu bringen.“ Ab diesem Anteil Geimpfter an der Bevölkerung kann sich die Infektion nicht ausbreiten. Zurzeit sind aber nur 93 Prozent der Schulanfänger wirksam geimpft. In der Regel werden sie in Deutschland mit einem Dreifach-Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln oder einer Vierfach-Vakzine gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen geschützt.

Nun aber grundsätzlich gefragt: Geht das überhaupt?! Die Menschen zum Impfen zwingen? „Klar“, sagt Professor Josef Franz Lindner, Experte für Öffentliches Recht und Medizinrecht an der Universität Augsburg. „Das ist möglich, wenn eine Krankheit schwer und übertragbar ist, die zum Schutz der Bevölkerung nötige Impfrate nicht erreicht wird und deshalb mit epidemischer Verbreitung gerechnet werden muss.“ Dann darf der Gesundheitsminister per Rechtsverordnung für „bedrohte Teile der Bevölkerung“ Schutzimpfungen vorschreiben. So steht es in Paragraf 20 des Infektionsschutzgesetzes. Bei den Masern seien diese Voraussetzungen gegeben, so Lindner.

„Der angeordnete Impfzwang ist mit dem Grundgesetz vereinbar“ (Bundesverwaltungsgericht im Urteil zur Pocken-Impfpflicht 1959)

Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kann also zum Schutz der Allgemeinheit eingeschränkt werden. „Der angeordnete Impfzwang ist mit dem Grundgesetz vereinbar.“ So urteilte 1959 das Bundesverwaltungsgericht im Streit über die damals geltende Pflicht zur Schutzimpfung gegen die Pocken. In anderen Ländern gibt es die Impfpflicht gegen Masern schon. Frankreich und Italien haben sie vor Kurzem eingeführt. Bereits länger ist der schützende Pikser in acht osteuropäischen Staaten vorgeschrieben, zum Beispiel in Kroatien und Tschechien. Insgesamt ist in 14 EU-Staaten die Impfung gegen mindestens eine Krankheit verpflichtend.

Übrigens: Geimpft werden Kinder am besten erstmals im Alter von 11 bis 14 Monaten – und dann ein zweites Mal bis zum 23. Lebensmonat. So empfiehlt es die Ständige Impfkommission.