Köln. Anlässlich des Internationalen Frauentags sorgt sie gerade mal wieder für Wirbel: die Lohnlücke zwischen Männlein und Weiblein, neudeutsch als „Gender Pay Gap“ bekannt. Wie groß ist diese Lücke wirklich – und ist das etwa ein Problem? aktiv hat das mit einem Experten besprochen.
Eine gute Nachricht zuerst: Jede siebte Frau verdient heute mehr als ihr Ehemann. Vor 15 Jahren schaffte das erst jede zehnte Frau.
Damit verdient natürlich die Mehrheit der Frauen immer noch weniger als ihre Männer. Und nach offizieller Statistik liegt das weibliche Durchschnittsbruttogehalt pro Stunde im Schnit sogar um 21,5 Prozent niedriger als das der männlichen Beschäftigten.
Wer nur die Stundenlöhne vergleicht, der vergleicht Äpfel mit Birnen
„Wenn man sich die Zahlen genauer ansieht, schrumpft diese Lücke jedoch stark zusammen“, weiß Oliver Stettes, der am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) das Kompetenzfeld Arbeitsmarkt und Arbeitswelt leitet.
Besonders wichtig: Bei den Daten, die das Statistische Bundesamt veröffentlicht, werden grundsätzlich immer „Äpfel mit Birnen verglichen“ – also etwa der Stundenlohn einer Verkäuferin in Teilzeit mit dem eines Ingenieurs. Das IW rechnet diese Faktoren heraus und vergleicht gleich qualifizierte Männer und Frauen, die jeweils in denselben Berufen arbeiten. Auch Kriterien wie Berufserfahrung, Betriebsgröße und Branche werden berücksichtigt.
Die bereinigte Lohnlücke liegt unter 5 Prozent
Wird die auf den ersten Blick recht große Lohnlücke zwischen Männern und Frauen so bereinigt, bleibt nur noch ein Unterschied beim Stundenlohn von knapp 4 Prozent (IW-Studie auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels). Stettes’ Fazit: „Es gibt keine Diskriminierung bei der Bezahlung.“
Tatsächlich wäre eine Diskriminierung beim Entgelt ja auch verboten. Und natürlich behandelt der Tarifvertrag zum Beispiel der Metall- und Elektro-Industrie alle Geschlechter gleich.
Persönliche Berufswahl hat großen Einfluss auf die Bezahlung
Wie kommt es aber zu der großen unbereinigten Lohnlücke? „Der Grund sind in erster Linie individuelle Entscheidungen, die schon früh getroffen werden“, sagt der Ökonom. Die ersten Weichen stellen Mädchen schon bei der Berufswahl: Mehr als jede dritte junge Frau fokussiert sich auf einen der fünf beliebtesten Berufe – Bürokauffrau, medizinische oder zahnmedizinische Fachangestellte, Verkäuferin oder Kauffrau im Einzelhandel. In diesen Tätigkeiten ist der durchschnittliche Verdienst aber deutlich niedriger als zum Beispiel in den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen.
„Dazu kommen traditionelle Rollenbilder“, so Stettes. „Wenn Kinder kommen, entscheiden sich Paare meistens dafür, dass derjenige zu Hause bleibt, der weniger verdient – häufig die Frau.“ Damit zementieren sich Verdienstunterschiede.
Mehr Kita-Plätze würden helfen
Denn Frauen, die längere Babypausen nehmen und danach in Teilzeit wieder einsteigen, haben geringere Chancen auf besser bezahlte Jobs, etwa in Führungspositionen. „Das sind nun aber alles sehr persönliche Entscheidungen, in die der Staat nicht eingreifen sollte“, betont der Arbeitsmarktforscher.
Sinnvoll sei es allerdings, ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Das erhöhe, wie IW-Studien zeigen, direkt die Erwerbsbeteiligung von jungen Müttern. Und damit auf Dauer ihre Chance auf mehr Entgelt.
Übrigens: Frauen sind locker zwei Stunden pro Tag länger beschäftigt als Männer – für Beruf und Familie (mehr dazu bei aktiv).