Lahnstein. Dieses Ergebnis kann sich sehen lassen! 550.000 Chemie- Beschäftigte in 1.900 Betrieben erhalten mehr Geld: In der ersten Stufe steigen die Einkommen um 3,0 Prozent, in der zweiten Stufe noch mal um 2,3 Prozent. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 24 Monate.
Zudem wird der gemeinsam entwickelte Ausbildungstarifvertrag erweitert: Künftig erhalten Jugendliche – wenn erforderlich – Unterstützung bei fehlender Sprachkenntnis oder sozialer Kompetenz.
Rückblick: Es ist wohl der vielbeschworene „gute Geist von Lahnstein“, der die Stimmung bei der zweiten Verhandlungsrunde auf Bundesebene prägt. Obwohl die Außentemperatur auf über 30 Grad Celsius klettert, verlaufen die Diskussionen während der zwei Verhandlungstage im Hotel Wyndham Garden nicht hitzig, sondern sachlich und konstruktiv. Schon oft haben die Tarifparteien in den vergangenen Jahren in Lahnstein getagt, doch einen Blick für die Schönheit der grünen Landschaft am Rhein haben die Teilnehmer auch diesmal nicht.
„Langfristige Planungssicherheit und Entlastung durch betriebliche Flexibilität“ Georg Müller, Verhandlungsführer BAVC
Konzentriert führen sie am ersten Tag bis Mitternacht intensive Gespräche, am nächsten Morgen sitzen sie bereits um 9 Uhr wieder am Tisch. Peter Hausmann, Verhandlungsführer der Chemie-Gewerkschaft IG BCE, tritt aufgrund der Hitze gleich mal ohne Krawatte an. Er überreicht seinem Kontrahenten Georg Müller vom Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) einen dicken grünen Plastikfrosch mit den Worten: „Diese Kröte müsst ihr schlucken!“ Gemeint ist die Forderung von 5 Prozent mehr Lohn für zwölf Monate, die von Anfang an im Raum stand.
Müller, im dunklen Anzug mit blauem Binder, nimmt die Herausforderung mit Humor. Mahnt aber: „Die Lösung muss am Ende für alle Beteiligten tragbar sein!“ Ist sie auch: Als die Verhandlungsführer nach zähem Ringen gemeinsam vors Mikrofon treten, zeichnet Erleichterung ihre Gesichter.
„Wir haben einen Kompromiss ausgehandelt, der zur Chemie-Industrie passt“, sagt Hausmann. Er spricht von „schwierigen Verhandlungen“ in „heißer Atmosphäre“ und legt dann die Karten auf den Tisch: eine Entgelterhöhung in zwei Stufen für 24 Monate.
Müller nickt, stellt aber umgehend klar: „Das Ergebnis ist ein Kraftakt, der an die Belastungsgrenze herangeht.“ Der Abschluss in dieser Höhe sei nur aufgrund der langen Laufzeit möglich: „Langfristige Planungssicherheit und Entlastung durch betriebliche Flexibilität – das sind die Pluspunkte aus Arbeitgebersicht.“
Öffnungsklauseln für schwächere Betriebe
Mit dem Ergebnis steht die nächste Tarifrunde erst wieder in zwei Jahren an. „Diese Zeit können wir nutzen, um große Herausforderungen wie die Digitalisierung der Arbeitswelt gemeinsam anzugehen“, so Müller.
Zudem wurden Öffnungsmöglichkeiten gefunden für Firmen, denen es nicht so gut geht: Die tabellenwirksame Tariferhöhung kann bei besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffener Unternehmen je zwei Monate nach hinten verschoben werden.
BAVC-Präsidentin Margret Suckale lobt, dass der Kompromiss die „Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern“ ausdrückt, ohne die „Wettbewerbsfähigkeit der Branche“ aus den Augen zu verlieren. Und Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Chemie-Gewerkschaft, unterstreicht, dass die Tarifpartnerschaft gezeigt habe, was die Branche kann: „Uns muss niemand helfen, um zu einem Ergebnis zu kommen!“
Innerhalb von zwei Jahren gibt es zweimal mehr Geld: Zunächst 3,0 Prozent für die Beschäftigten (und die Azubis) ab dem 1. August in den Tarifbezirken Hessen, Nordrhein und Rheinland-Pfalz. Ab dem 1. September auch in den Bezirken Baden-Württemberg, Bayern, Berlin (West), Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Westfalen. Im Saarland und im Tarifbezirk Ost gilt das ab dem 1. Oktober. Nach 13 Monaten steigen die Bezüge (auch Azubis) noch einmal um 2,3 Prozent.
Das Programm „Pre-Start“ zur Berufsvorbereitung angehender Lehrlinge haben die Tarifpartner mit 1 Million Euro ausgestattet. Es fördert Sprachkenntnisse und soziale Kompetenzen. Zudem wird die Berufsvorbereitung („Start in den Beruf“/„StartPlus“) nun erweitert für Kandidaten über 25 Jahre.