Zinnwald. Kühle acht Grad Celsius, der Boden und die Wände schimmern feucht, der Gang ist niedrig und dunkel. Nur das Licht der kleinen Stirnlampe zeigt, wie der Weg weitergeht – Meter für Meter. Mitten im Stollen des stillgelegten Zinnbergwerks bleibt Armin Müller stehen. Hier ist der Gang etwas breiter. Müller schwenkt mit seiner Lampe über den Stein, der jetzt an unzähligen Stellen glitzert und funkelt, als hingen Pailletten daran. „Da ist es.“
Armin Müller ist Geschäftsführer der Deutschen Lithium mit Sitz im sächsischem Freiberg. In den Glimmerpartikeln, die er mit seiner Lampe anleuchtet, steckt einer der zurzeit wertvollsten Rohstoffe der Welt: Lithium. Daraus wird Lithiumcarbonat gewonnen, ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Speichertechnologien, wie sie etwa in Smartphones oder Elektroautos stecken. Seine Eigenschaften: Es ist leicht und besonders leitfähig.
Wenn alles so kommt, wie Armin Müller es geplant hat, wird hier bald Lithium abgebaut, und zwar im ganz großen Stil.
Lithium-Abbau im Erzgebirge: AKTIV war unter Tage
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Größte Lagerstätte in ganz Europa
Im erzgebirgischen Zinnwald, wo seit dem Mittelalter bis Ende 1945 Zinn und Wolfram gewonnen wurden, schlummern in 350 Meter Tiefe knapp 100.000 Tonnen des wertvollen Rohstoffs. Im benachbarten Falkenhain sind es noch mal 30.000 bis 40.000 Tonnen. Mit der böhmischen Seite, der Lagerstätte Zinnwald/Cinovec, ist es das größte Lithium-Vorkommen Europas. Müller möchte den Bergbau wiederbeleben. Der Stollen ist gerade sein zweites Zuhause.

Ein Abbau galt lange Zeit als nicht wirtschaftlich
Dass es hier Lithium gibt, ist schon seit Jahrzehnten bekannt. 2011 haben die Erkundungen unter Müllers Regie begonnen. Warum kommt die Goldgräberstimmung erst jetzt? „Erstens gab es früher gar keinen Bedarf“, erklärt Chemiker Müller. „Und zweitens sah es lange so aus, als würde sich ein Abbau wirtschaftlich nicht lohnen.“ Denn die Rahmenbedingungen in Deutschland seien nicht gerade traumhaft: hohe Lohnkosten, strenge Auflagen für die Betreiber.
Andere Länder sind schon lange auf dem Lithiummarkt etabliert und erfolgreich. Die größten Vorkommen gibt es in Chile und in Australien. Zusammen stemmen sie etwa 80 Prozent der Förderung. Beide Länder bauen ihre Kapazitäten massiv aus. Der Wettbewerbsdruck ist also hoch. Das weiß Müller. Aber er kennt auch die technologischen Entwicklungen auf der Welt. Und die fordern Lithium. Smartphone, Computer, E-Bike und Elektroauto – alle werden mit Lithium-Ionen-Akkus betrieben. Lithium ist alternativlos.
Der Bedarf wird sich bis 2025 verdoppeln
Gerade die E-Mobilität ist auf Wachstumskurs. „Nach unserer Schätzung wird 2025 der Anteil von Elektrofahrzeugen an den Neuzulassungen etwa 15 Prozent betragen, wodurch sich der Lithium-Bedarf entsprechend erhöhen wird, abhängig von den Größen der verbauten Batterien“, sagt Joachim Damasky, Geschäftsführer vom Verband der Automobilindustrie (VDA). Die Deutsche Rohstoffagentur geht davon aus, dass sich der globale Bedarf von jetzt 33.000 Tonnen Lithium bis 2025 mindestens verdoppeln wird.
Und nicht nur Lithium spielt für die leistungsfähigen Batterien eine Rolle, auch Kobalt, Nickel und Grafit stecken in den Akkus. Hinzu kommen weitere Seltene Erden, die für Elektromotoren wichtig sind. Neodym und Disprosium zum Beispiel, an diesen hält China einen Marktanteil von 90 Prozent. Zurzeit ist die deutsche Industrie komplett abhängig von Importen aus dem Ausland. Zumindest beim Lithium will Bergbau-Unternehmer Müller das nun ändern. „Hier lagert so viel wertvolles Gestein, das wir 30 bis 40 Jahre fördern könnten“, sagt er. „Mit dieser Menge könnten wir zehn Millionen Fahrzeuge ausrüsten.“
Der Prozess vom glitzernden Stein bis zur einsatzfähigen weißen Lithiumverbindung ist gar nicht so kompliziert. „Wir brechen den Stein, mahlen ihn, und durch ein Magnetscheideverfahren trennen wir das wertvolle Lithium vom Rest“, erklärt Müller. Das hat im Testbetrieb bereits funktioniert. Im vergangenen Jahr haben Geologen eine 100-Tonnen-Probe aus dem Berg geholt. Unterirdisch wurde das Gestein an verschiedenen Stellen herausgesprengt.
Demnächst eröffnet die erste Batterie-Fabrik in Deutschland
„Und so sieht dann die fertige Lithiumverbindung aus“, erklärt Müller, während er einen kleinen Behälter mit weißem Pulver schüttelt. Bei der Herstellung profitiert das künftige Bergwerk von alten Strukturen. Direkt in der Nachbarschaft, nur zwei Kilometer Luftlinie vom Abbaugebiet entfernt, wird die Aufbereitungsfabrik errichtet. Eine Rampe soll von der Stollenöffnung des stillgelegten Schachtes, dem sogenannten Mundloch, in den Berg führen. Weiter geht es mit der chemischen Veredelung im Chemiepark Schwarzheide in Brandenburg. „Ein Cluster, von dem auch wir profitieren werden“, so Müller.
Apropos Cluster, also Netzwerk: In Thüringen entsteht gerade die erste Batteriezellen-Fabrik in Deutschland. „Die Produktion gesellt sich zu den bestehenden ‚Kompetenzzentren Batterie‘ der Automobilhersteller und treibt die lokale Vernetzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette weiter voran“, erklärt VDA-Geschäftsführer Damasky.
Es fehlen noch 120 Millionen Euro
Die Kunden sind also da, und die wichtigsten Etappenziele sind geschafft. Müller hat vom sächsischen Bergbauamt die Abbaulizenz für die nächsten Jahrzehnte erhalten. Erkundungsbohrungen sind abgeschlossen. Der Aufbereitungsprozess ist durchgespielt. Alle Vorgaben für den Umweltschutz sind erfüllt – ein sensibles Thema für die Region, die von Wintersport und Tourismus lebt.
Jetzt fehlt nur noch das Geld. 120 Millionen Euro, so schätzt Müller, muss er noch auftreiben. Der 56-Jährige ist optimistisch. „Die Banken begleiten uns seit Jahren.“ Zudem hofft er auf Investoren, aber auch da ist Müller zuversichtlich. Denn das Projekt lohnt sich: Den Wert der sächsischen Lithium-Lagerstätte schätzt er auf 5,5 Milliarden Euro.
Zusammen mit anderen Chemikern hat er außerdem einen speziellen Aufbereitungsprozess entwickelt, der die Herstellung vergleichbar günstig macht. „Damit sind wir weltmarktfähig.“
Wie gefragt Lithium ist, zeigt die Preisentwicklung auf dem Weltmarkt. Die Tonne Lithiumcarbonat kostet aktuell 14.000 Dollar. Vor zwei Jahren war es noch die Hälfte. „Daher wäre es natürlich wichtig, dass wir möglichst bald mit dem Abbau loslegen, um diese Hochpreisphase mitzunehmen“, so Müller.
Vom Ingenieurbüro zum Chemie-Konzern
Noch ist die Deutsche Lithium, ein Joint Venture eines kanadischen Investors und der insolventen Solarworld, ein kleines Ingenieurbüro mit sechs Mann. Läuft alles nach Plan, ist es bald ein Unternehmen mit 250 Mitarbeitern.
Bewerbungen hat Armin Müller schon stapelweise bekommen. Und Bergbau-Know-how ist in der Region traditionell verankert. Die renommierte Technische Universität Bergbau in Freiberg ist um die Ecke. Im nächsten Jahr soll der Bau des neuen Bergwerks beginnen und ab 2021 soll das Produkt auf dem Markt sein: einsatzfähiges Lithium aus Deutschland.