München. Über die Lage der Metall- und Elektro-Industrie in Baden-Württemberg sprach aktiv mit dem Branchenkenner Oliver Herweg, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger.
Wie schlimm ist die Krise wirklich?
Die Lage ist in vielen Unternehmen dramatisch! Der Abschwung begann aber schon 2018, zudem hat auch der Kostendruck über die letzten Jahre bei abnehmender Produktivität stark zugenommen. Die Lohn-Stückkosten der Branche sind 2019 um 7,5 Prozent gestiegen. Das waren bereits deutliche Warnzeichen! Die Pandemie wirkt nun wie ein Brandbeschleuniger. Gerade für viele kleine Betriebe geht es jetzt schlicht darum, zahlungsfähig zu bleiben. Die Krise ist existenziell, alle Hebel müssen gezogen werden.
Was bedeutet die Krise für Baden-Württemberg?
Die Branche hat für den Südwesten eine besonders große Bedeutung: Hier arbeiten knapp 20 Prozent aller Erwerbstätigen, und sie trägt über 30 Prozent zur regionalen Wertschöpfung bei – diese Anteile sind hier etwa doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Und: Fast 60 Prozent aller M+E-Beschäftigten arbeiten in den am meisten von der Krise betroffenen Teilbranchen, also der Autoindustrie und dem Maschinenbau.
Ist es für die Unternehmen schwierig, die Kosten zu senken
Die Situation sieht so aus: In der Branche machen die Materialkosten rund die Hälfte der Gesamtkosten aus – die andere Hälfte der Kosten ist aber kurzfristig fix. Und für Preiserhöhungen bei den Produkten gibt es kaum Spielräume in einer Situation wie dieser. Wenn Sie nun als Unternehmer mit einem Umsatzrückgang von beispielsweise 20 Prozent konfrontiert sind, dann hat das erhebliche Auswirkungen auf Ihre finanzielle Stabilität. Zwar haben viele Firmen ihre Eigenkapitalquote in den vergangenen Jahren gestärkt – doch so einen Abschwung steckt keiner leicht weg. Die staatlichen Unterstützungsprogramme und die Zurückhaltung der Tarifparteien sind gut, aber strukturelle Kostensenkungen werden wohl leider unvermeidlich sein. Kurzarbeit, Sachkostensenkung und strafferes Zahlungsmanagement reichen nicht.
"Die Innovationsführerschaft der Metall- und Elektro-Industrie ist ihre Daseinsberechtigung." Oliver Herweg, Unternehmensberatung Roland Berger
Werden auch wichtige Investitionen verschoben?
Viele Firmen sollten jetzt sicher auch mit Investitionen vorsichtig umgehen, aber: Die Innovationsführerschaft ist die Daseinsberechtigung der Branche in Deutschland! Deshalb müssen Unternehmen den Spagat hinbekommen, Kosten zu senken und trotzdem Innovationen voranzutreiben.
Was können Firmen noch tun?
Spätestens seit der Finanzkrise 2009 sind die Unternehmen sehr krisenerprobt. Kurzarbeit nutzen, Materialpreise nachverhandeln, alle diese Instrumente sind eingespielt. Über diese Maßnahmen konnten bislang die Stammbelegschaften auch weitgehend geschützt werden. Es geht eher um die Frage: Was ist darüber hinaus noch erforderlich? Auf Dauer wird sich wohl ein Stellenabbau nicht immer vermeiden lassen.
Nennen Sie uns wenigstens einen Grund zur Zuversicht?
Es gibt auch Unternehmen, die trotz der Krise Reserven haben. Sie können jetzt ihr Angebotsspektrum gezielt erweitern, etwa durch Übernahmen oder Partnerschaften. Und einige M+E-Bereiche sind zum Glück auch weniger stark betroffen, wie etwa die IT-Branche oder die Medizintechnik.