Leuna. „Ohne Chemie ist nicht viel“: Mit diesem Satz beim Festakt im Chemiepark Leuna traf Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede den Nerv der 500 Gäste aus Politik und Wirtschaft. Gemeinsam feierte man 100 Jahre Chemie am Standort. Und damit jede Menge Arbeitsplätze und Innovationen: Viele Neuheiten haben Forscher seitdem auf dem 13 Quadratkilometer großen Gelände entwickelt, einige wurden zum Jobmotor.
Rund 9.000 Stellen sind es heute, in mehr als 100 Firmen aus zehn Ländern. Leuna wächst, hier wird geforscht und investiert. Nicht zuletzt, weil alles getan wird, um den Firmen „die Wettbewerbsfähigkeit in Sachen Energie zu sichern“, betont Christof Günther, Geschäftsführer des Standortbetreibers InfraLeuna. Der sorgt mit Millionen-Investitionen für die „äußerst wettbewerbsfähige Infrastruktur“.
„Eine der härtesten Phasen von Restrukturierung“
Leuna habe sich zu einem „industriellen Leuchtturm in Sachsen-Anhalt“ entwickelt. Mit Investitionen von knapp 6 Milliarden Euro seit der Wende sei es gelungen, ein „Flaggschiff des Landes“ zu formen, lobt Ministerpräsident Reiner Haseloff, die Kanzlerin spricht von einem „Taktgeber für die Zukunft“.
Michael Vassiliadis, Chef der Chemie-Gewerkschaft IG BCE, erinnerte daran, dass dies erst durch „eine der härtesten Phasen von Restrukturierung in der deutschen Industriegeschichte“ möglich war.
Auch der dunklen Seiten Leunas wurde gedacht: die Gründung 1916 zur Sprengstoffproduktion, die Ausbeutung der Zwangsarbeiter in der Nazizeit, die Vernachlässigung des Umweltschutzes zu DDR-Zeiten.
Stürmischer Ausbau: Leuna-Harze wächst weiter

Die 15 Millionen Euro teure neue Härteranlage glänzt im Sonnenschein. „Wir beginnen gerade mit dem Testbetrieb“, sagt Klaus-Peter Kalk, operativer Leiter von Leuna-Harze. Mit Werkstudentin Anne Tretbar schaut er nach dem Rechten.
Härter machen die hier gefertigten Epoxidharze zu leichten, festen Kunststoffen. Etwa für Rotorblätter von Windrädern. Die 196 Mitarbeiter und Azubis kommen mit der Arbeit kaum hinterher. Bald fließen erneut Gelder in den Ausbau – alle Investitionen summieren sich auf über 300 Millionen Euro.
Bald kommt die Nylonfolie: Domo baut eine neue Fabrik

Wenn Jerry Theys etwas erläutert, wechselt er rasant vom Deutschen ins Englische – und zurück. Zufrieden ist der Projektleiter von Domo Caproleuna damit nicht: Der Mann mit belgischem und US-Pass nimmt nun Deutschunterricht. „Damit mich alle beim ersten Mal verstehen.“
Denn sein Projekt hat es in sich: Domo baut für mehr als 30 Millionen Euro eine Fabrik, die einige Tausend Tonnen Nylonfolie pro Jahr herstellen soll. Aus Caprolactam. Das Ausgangsmaterial für den Kunststoff Polyamid 6 wurde weltweit zuerst 1938 in Leuna gefertigt.
Im Moment ist die 3.000 Quadratmeter große Baustelle eine tiefe Grube. „Zur Hälfte gefüllt mit Bruchsteinen, dann folgt eine 1,5 Meter dicke Bodenplatte aus Beton, die schweren Anlagen brauchen Halt“, so Theys.Ab Anfang 2017 soll das Werk laufen und die Produktvielfalt von Domo in Leuna vergrößern.
Größer wird auch die Belegschaft: Die 525 Mitarbeiter bekommen etwa 30 neue Kollegen.
Wie ein Katalysator-Spezialist für die sichere Lagerung seiner Rohstoffe sorgt

Überraschend schneite es Anfang März. „Das ist kein Grund, die Bauarbeiten zu unterbrechen“, findet Holger Günschel, Geschäftsführer des Katalysator-Spezialisten CRI Catalyst Leuna.
Das geplante Gefahrstofflager wird gebraucht: „Manche Produkte müssen nach den neuesten Verordnungen noch sicherer gelagert werden.“ Auch für Rohstoffe taugt die Halle: Sie dienen als Reserve, um die Produktion abzusichern.
Mehrere Millionen Euro investiert die Shell-Tochter hier. Gut 100 verschiedene Katalysatoren produzieren die 120 Mitarbeiter für die Chemie-Industrie, das Geschäft läuft gut – neue Kollegen wurden eingestellt, neue Projekte sind geplant.
Spannend: 1921 ist im Vorgängerbetrieb weltweit erstmals ein kommerzieller Katalysator hergestellt worden.