Sindelfingen. Kristine Fritz ist die Begeisterung für Technik deutlich anzumerken, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Dann dreht sich alles um eine spezielle Stahllegierung, die sie mitentwickelt hat, oder um Details der Blechbearbeitung. Die 51-Jährige ist Leiterin des Werkzeugbaus im Mercedes-Benz-Werk Sindelfingen.

Ihre Abteilung baut mit mehreren Hundert Mitarbeitern Werkzeuge, die weltweit die Außenhaut der Fahrzeuge mit dem Stern in Form bringen. Der Standort bei Stuttgart (über 25.000 Mitarbeiter) ist einer der größten von Mercedes-Benz. Eine Chefin in der Fertigung ist aber in der gesamten Auto-Industrie eher die Ausnahme.

Für Aufsehen, nicht nur innerhalb des Konzerns, hat die promovierte Werkstoffwissenschaftlerin schon vor 17 Jahren gesorgt: Im Jahr 2000 wurde sie als erste Frau zur Leiterin eines Teams in der Sindelfinger Produktion ernannt. Seitdem baut Daimler den Frauenanteil kontinuierlich aus.

„Damals war ich für die Presswerksteuerung und die zentrale Schrottentsorgung zuständig“, erinnert sich Fritz. Eine Frau als Führungskraft in der Produktion einer Autofabrik? Manch einer im Bekanntenkreis habe sich da skeptisch gezeigt. „Es gab schon Zweifel, ob man diese Arbeit einer Frau zumuten kann.“

Doch die Meister und Manager bei Daimler waren sich sicher. Sie selbst sagt: „Der Job hat mich zwar gefordert – aber ich war immer davon überzeugt, die Aufgaben stemmen zu können.“

Es war Günter Sprecher, ehemaliger Leiter des Sindelfinger Presswerks, der die damals 34-Jährige zur Teamleiterin berief. Sie hatte bereits ein Führungsnachwuchsprogramm bei Daimler absolviert. „Sie ist unheimlich zielstrebig“, beschreibt Sprecher, der auch ihre weitere Karriere begleitet hat, ihre Stärken. „Und sie denkt dabei auch noch ans normale Leben. Das ist das Besondere an ihr.“

Das normale Leben heißt für Kristine Fritz, trotz Karriere auch Zeit für Familie oder Hobbys wie Sport zu haben. Fünf Jahre nach der Übernahme der Teamleitung kamen ihre Zwillinge Marlene und Julia auf die Welt. Um Mutterrolle und Beruf unter einen Hut zu bringen, halfen alle mit.

Eine Freundin und die Oma übernahmen an einigen Tagen pro Woche die Kinderbetreuung. Ihr Mann, selbst ebenfalls Werkstoffwissenschaftler, nahm zwei Tage pro Woche Erziehungsurlaub. „Er war damit der Pionier in seinem Betrieb“, erzählt Fritz.

Als ihr die Doppelbelastung zu viel wurde, reduzierte sie ihre Arbeitszeit nach zwei Jahren auf 30 Stunden. Später arbeitete sie regelmäßig im Homeoffice, um mehr bei den Kindern sein zu können. Unternehmensintern sei das nie ein Problem gewesen, das zum Karriereknick hätte führen können, erzählt die Managerin. „Ich bin in dieser Zeit sogar stellvertretende Abteilungsleiterin geblieben.“ Später wechselte sie im Werk an die Spitze des Arbeits- und Umweltschutz-Ressorts, bevor sie 2016 in die Produktion zurückkehrte.

Als Kind wollte sie Lokführerin werden

In der Produktion sieht sie selbst „ihre Welt“. Und auch der frühere Werkleiter Sprecher, der ihr nun die Abteilungsleitung im Werkzeugbau anbot. „Hier ist sie als Metallurgin am stärksten“, sagt der Manager, der zum Jahreswechsel in den Ruhestand ging.

Stand denn der Aufstieg in einer Autoproduktion für die gebürtige Calwerin von Anfang an fest? Fritz lacht: „Das nicht –aber ich habe mich schon immer für Technik und Naturwissenschaften interessiert.“ Als Kind wollte sie eigentlich Lokomotivführerin werden. Bis ihr ein Gespräch mit einem Zugführer klarmachte, dass ihr das „technisch nicht anspruchsvoll genug“ sein würde.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Schon als Kind habe ich mich für Naturwissenschaften begeistert.

Was reizt Sie am meisten?

Neue und anspruchsvolle Dinge umzusetzen und zum Laufen zu bringen. Das kann technisch Neues sein oder das Verbessern der gängigen Abläufe.

Worauf kommt es an?

Die richtigen Fragen zu stellen. Verblüffende Antworten und Ideen bekommt man beispielsweise, wenn man sich selbst oder andere mal fragt, was man bei der Arbeit weglassen könnte.