Früher Pferdewagen, heute KI: So könnte man die Geschichte der Herges Stahl- und Blechbau GmbH etwas zugespitzt erzählen. Schmiedemeister Albert Herges gründete den Betrieb in St. Ingbert 1940 als Huf- und Wagenschmiede. Heute in dritter Generation geführt, hat sich das Unternehmen längst in einen renommierten Industriezulieferer verwandelt. Herges liefert geschweißte Stahl- und Blechkonstruktionen in alle Welt. „Die Geschichte zeigt, wie die Familie Herges tickt“, sagt Daniel Krauser, Assistent der Geschäftsführung, beim aktiv-Besuch. „Nur wer alte Gewohnheiten hinterfragt, kann auf dem Markt bestehen.“

Wichtig zur Kalkulation: Wie viel Zeit braucht jeder Arbeitsschritt?

„Nur wer alte Gewohnheiten hinterfragt, kann auf dem Markt bestehen.“ 

Daniel Krauser, Herges

Dafür mussten die Mitarbeiter – neben der präzisen Umformung der Bleche – die Uhr jederzeit im Blick behalten. „Eine echte Herausforderung“, sagt Krauser. Aber notwendig: „Ohne zu wissen, wie lange die Kollegen an einem Bauteil arbeiten, lassen sich Kundenangebote nur sehr vage kalkulieren.“ Und Erfahrungswerte halfen bei der Vielzahl der Arbeitsschritte nur bedingt weiter.

Eine Lösung für das Problem fand Inhaber Manfred Herges beim Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) am Mittelstand-Digital Zentrum (MDZ) Saarbrücken. Dort stieß er bei einer Infoveranstaltung auf die KI-gestützte Angebotskalkulation. Ein paar Video-Calls und Vor-Ort-Besuche der KI-Experten später arbeitet das Produktionsteam beim Blech-Umformer nun mit einer eigenen Zeiterfassungs-App – entwickelt mithilfe des ZeMA.

Beteiligt daran war auch Fabian Adler. Der gelernte Maschinenbauer arbeitet gerade an seiner Promotion am Lehrstuhl für Montagesysteme. Sein Job im ZeMA: Unternehmen aus der Region bei der Digitalisierung unterstützen. Dank der Förderung, die das ZeMA erhält, ist diese Beratung für Betriebe kostenfrei. „Wir sind allerdings kein Dienstleister, der alles allein erledigt“, betont Adler. „Wir wollen, dass Unternehmen Kompetenzen selbst aufbauen, und sie ermutigen, IT-Fragen zum Beispiel nicht direkt auszulagern.“

Auch bei Herges entstand die Lösung im Zusammenspiel von Fach- und KI-Experten. Am Anfang stand die Frage, wo genau sich die Zeiterfassungs-App gut in die Arbeitsabläufe integrieren lässt. „Hier bot sich der Prozess des Blechumformens an“, erklärt Daniel Krauser. „Anders als etwa beim Schweißen können wir dabei die einzelnen Prozessschritte gut voneinander abgrenzen.“ Genau diese einzelnen Prozessschritte sind jetzt in der App zu finden – simpel und ohne „coolen Schnickschnack“, wie Adler sagt. Schließlich soll das neue Tool die Arbeit erleichtern – und nicht zusätzlich Zeit und Nerven kosten.

Mit einem Klick können die Mitarbeiter die Zeiterfassung starten. Ist ein Arbeitsschritt abgeschlossen, etwa der Transport eines Blechs zur Walze, genügt ein zweiter Klick. Der erfasste Zeitraum wird automatisch gespeichert und dem jeweiligen Prozessschritt zugeordnet. Auch die Hilfe eines zweiten Mitarbeiters oder der Einsatz zusätzlicher Maschinen kann in der App hinterlegt werden. So entsteht ein wachsender Datenpool, mit dessen Hilfe sich Angebote künftig präzise kalkulieren lassen. Beispielsweise zeigen die Daten, wie lange der Umformprozess je nach Rohrdurchmesser dauert. Zentral war bei dem Projekt der Datenschutz: „Kein Messschritt kann und soll zu einzelnen Mitarbeitern zurückverfolgt werden“, so Krauser.

Viele Betriebe sind bei KI noch unsicher

Für Fabian Adler ist das Projekt bei Herges eines von vielen. Das Interesse an der Einbindung von KI-Systemen sei groß, die Unsicherheit aber auch. „Hier Sicherheit zu geben, dafür sind wir da“, sagt der ZeMa-Experte. Ob eine eigene App oder eher eine externe Software die beste Lösung sei, entscheide der Einzelfall. Wichtig sei, dass sich Unternehmen Veränderungen zutrauen. Beim ehemaligen Hufschmied Herges tut man das seit 85 Jahren.

Das MDZ

  • Das Mittelstand-Digitalzentrum Saarbrücken unterstützt Unternehmen kostenfrei und unabhängig bei Fragen rund um das wichtige Thema Digitalisierung.
  • Das Bundeswirtschaftsministerium stellt dafür Fördermittel bereit.
  • Weitere Infos: mittelstand-digital.de
Nadine Keuthen
aktiv-Redakteurin

Nadine Keuthen stürzt sich bei aktiv gerne auf Themen aus der Welt der Wissenschaft und Forschung. Die Begeisterung dafür haben ihr Masterstudium Technik- und Innovationskommunikation und ihre Zeit beim Kinderradio geweckt. Zuvor wurde sie an der Hochschule Macromedia als Journalistin ausgebildet und arbeitete im Lokalfunk und in der Sportberichterstattung. Sobald die Sonne scheint, ist Nadine mit dem Camper unterwegs und schnürt die Wanderschuhe. 

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