Berlin/Köln. Die Kosten der stationären Pflege drohen für die Betroffenen aus dem Ruder zu laufen: Rund 2.000 Euro monatlich – so viel müssen Pflegebedürftige im Schnitt für ihre Betreuung und Verpflegung in einem Heim selbst bezahlen. Also zusätzlich zu dem, was die Pflegeversicherung leistet! 2017 waren es laut Verband der Ersatzkassen erst knapp 1.700 Euro Zuzahlung.

„Für manchen Betroffenen fließt also die komplette Rente oder der größte Teil davon in diesen Eigenanteil zur Pflege“, sagt Jochen Pimpertz, Experte fürs Thema am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. 

25.200 Euro Zuzahlung pro Heimbewohner – das ist die geplante Obergrenze

Um diesem Trend Einhalt zu gebieten, will Gesundheitsminister Jens Spahn den pflegebedingten Eigenanteil deckeln. Laut einem Eckpunkte-Papier, das im November vorgestellt wurde, sollen Heimbewohner in Zukunft monatlich nur noch maximal 700 Euro für die Pflege dazuzahlen, für höchstens 36 Monate. Das wären dann also bis zu 25.200 Euro.

Wer aber kommt dann für weiter steigende Pflegekosten auf? Mal eben die Beiträge in der umlagefinanzierten Pflegeversicherung zu erhöhen, würde die Lohnnebenkosten steigen lassen – und vom Brutto bliebe weniger Netto übrig. „Gerade das sollten wir unbedingt vermeiden, weil es Arbeit in Deutschland noch weiter verteuern würde“, warnt Ökonom Pimpertz. „Deshalb fordern die Arbeitgeber ja zu Recht, die Beitragssätze insgesamt auf 40 Prozent zu begrenzen.“

Der Steuerzahler wird die Deckelung finanzieren müssen

Tatsächlich will der Gesundheitsminister zunächst kaum am Beitragssatz drehen. Sondern für die Finanzierung der Deckelung den Steuerzahler zur Kasse bitten. Auch das hat einen Nachteil, wie der Experte erklärt: „Eine steuerfinanzierte Begrenzung der Eigenanteile entlastet ja auch Personen, die sich eine Versorgung im Pflegeheim über vier oder fünf Jahre aus eigener Kraft gut leisten könnten.“

Das sind nicht wenige, wie eine IW-Studie zeigt. Demnach könnten sieben von zehn Rentnerhaushalten, in denen aktuell niemand pflegebedürftig ist, die Kosten für eine stationäre Pflege bis zu drei Jahre aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten. Allerdings: Je länger stationäre Pflege dauert, desto mehr Haushalte kommen da an ihre Grenzen.

So oder so bleibt das Grundproblem: Die Ausgaben in der Pflege sind seit Jahren stärker gestiegen als die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Und der Finanzbedarf wird weiter steigen, weil die Gesellschaft altert. „Die jetzt geplante Deckelung der Eigenanteile nimmt diesen Kostendruck nicht aus dem System“, betont Pimpertz.

Spahn setzt auf Tariflöhne

Weitere Pläne des Gesundheitsministers dürften die Kosten sogar zusätzlich nach oben treiben. Gleichzeitig mit der Deckelung des Eigenanteils möchte Spahn mehr Pflegekräfte in die Branche holen – und nur solche Heime und Dienste mit der Pflegekasse abrechnen lassen, die nach Tarif bezahlen. Auch dafür plant Spahn Steuermittel ein. Die gesamte Reform soll im ersten Jahr 6 Milliarden Euro kosten. Tendenz: steigend.

 

Gesetzliche Pflegeversicherung in Zahlen

Beitrag: Bei Einführung der Pflegeversicherung 1995 lag der Beitragssatz bei 1,0 Prozent. Derzeit liegt er bei 3,05 Prozent des versicherungspflichtigen Einkommens. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen den Beitrag je zur Hälfte. Kinderlose ab 23 Jahre zahlen 0,25 Prozent Zuschlag.

Einzahler: Rund 73 Millionen Menschen sind versichert, die meisten zahlen laufend in die Pflegekasse ein.

Empfänger: Fast 860.000 Menschen erhielten Ende 2019 Leistungen für die stationäre Pflege, rund 3,14 Millionen Menschen für eine ambulante Pflege.