Berlin. Deutschlands Schlüsselbranche Metall und Elektro (M+E) steht vor einer Zäsur. Zehn Jahre lang gab es bei Produktion, Export und Arbeitsplätzen praktisch nur eine Richtung: nach oben. Doch diese fetten Jahre sind vorbei, seit Monaten schon zeigen viele wichtige Kennzahlen deutlich nach unten. „Wir stecken in der Rezession“, betont Michael Stahl, Chefvolkswirt beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall.
Von einer Rezession sprechen Ökonomen, wenn der Wert der produzierten Güter zwei Quartale in Folge abnimmt. Das ist bei M+E schon der Fall! Mehr noch: Der Wert ging inzwischen schon drei Quartale hintereinander zurück. „Die Produktion wird im gesamten Jahr 2019 im Schnitt um rund 4 Prozent niedriger ausfallen als 2018“, so Stahl.
Zwei globale Trends machen der exportorientierten Metall- und Elektro-Industrie zu schaffen
Das Minus hat Folgen für den Ertrag, drückt auf die Stimmung. Vor einem Jahr waren laut Umfrage des Münchner Ifo-Instituts die M+E-Betriebe, die ihre wirtschaftliche Lage als „gut“ bezeichneten, deutlich in der Überzahl. Das ist vorbei: „Die aktuellen Umfragen lassen für 2020 nichts Gutes erwarten“, warnt Experte Stahl. Gründe für diese schwierige Lage sind zwei globale Trends, die die exportorientierte Industrie hart treffen.
Zum einen lahmt der Welthandel. Das liegt unter anderem an US-Präsident Donald Trump, der einen langwierigen Handelskrieg mit China entfesselte und stets für eine Überraschung gut ist. Und an der britischen Politik, das Stichwort: Brexit. „All das macht wichtige Entscheidungen für die Unternehmen unkalkulierbar“, sagt Stahl. Zum anderen ist da der Strukturwandel der Auto-Industrie durch Digitalisierung und alternative Antriebskonzepte, den zahlreiche Zulieferer bewältigen müssen.
Verunsicherte Unternehmen investieren weniger – das setzt eine Abwärtsspirale in Gang
Wegen solcher Unsicherheiten halten sich viele Unternehmen mit Investitionen zurück. Und setzen so eine Abwärtsspirale in Gang: Vor allem dem Maschinenbau brechen die Aufträge weg, die Auslastung der Betriebe sinkt.
Erste Spuren sind auf dem Arbeitsmarkt sichtbar: „Seit Mai verzeichnen wir einen leichten Rückgang der Beschäftigung“, berichtet Stahl, „erstmals seit neun Jahren gibt es keinen Stellenaufbau mehr. Es ist also ein ungewöhnlich langer Aufschwung gewesen, der nun vorbei ist.“
Zwar versuchen die meisten Betriebe auch bei sinkender Auslastung, ihre Fachkräfte zu halten. Doch dadurch sinkt automatisch die Produktivität. „Dann schlagen die im internationalen Vergleich hohen deutschen Arbeitskosten wieder stärker ins Gewicht, schlecht für die internationale Wettbewerbsfähigkeit.“
Wobei Stahl sehr bewusst nur von „Abschwung“ spricht – und nicht von „Krise“. Denn: „So schlimm wie 2008 ist es glücklicherweise noch lange nicht. Aber wir müssen jetzt wirklich sehr auf der Hut sein.“