Detmold. Die Zukunft der Industrie ist total vernetzt und digitalisiert. Bauteile und Werkzeuge, Maschinen und Produkte verstehen sich gegenseitig, der Fertigungsprozess in der smarten Fabrik der Industrie 4.0 wird extrem automatisiert. So weit die Theorie. Da fragt man sich natürlich: Woher soll zum Beispiel der Schraubendreher in Betrieb A punktgenau wissen, wo er bei einer von Betrieb B gelieferten Verteilerklemme ansetzen soll?

Eine praktische Antwort auf diese Frage bekommt man beim Elektrotechnikhersteller Weidmüller in Detmold. Er setzt auf eCl@ss – das ist ein branchenübergreifender Datenstandard, made in Germany. Den nutzen inzwischen schon 3.500 in- und ausländische Unternehmen.

Am Stammsitz des Weltmarktführers Weidmüller arbeiten rund 1.800 der weltweit 4.500 Beschäftigten. Sie produzieren vor allem Verbindungstechnik, wie sie etwa in Schaltschränken steckt. 50.000 verschiedene Produkte sind im Programm, jedes von ihnen lässt sich mit mehr als 100 Merkmalen beschreiben – immense Datenmengen kommen da zusammen.

„Um den Kunden trotzdem standardisierte Informationen liefern zu können und um diese Vielfalt auch intern zu beherrschen, verwenden wir eCl@ss“, sagt Gerald Lobermeier, verantwortlich fürs Produktinformations- und Prozessmanagement. „So wie Englisch die Sprache im Business ist, ist eCl@ss die Sprache im Engineering – aus unserer Sicht das umfangreichste und geeignetste System weltweit.“ Stark vereinfacht erklärt, übersetzt eCl@ss alle wichtigen Details eines Produkts in standardisierte Daten.

Die kann jeder andere Anwender – von der Entwicklung bis zum Vertrieb, auch in einer anderen Branche oder einem anderen Erdteil – auslesen und verstehen.

Bei Weidmüller nutzt man das System unter anderem, um dem Großhandel elektronische Kataloge der eigenen Produkte zu liefern. „Vor fünf Jahren genügte da oft noch eine Excel-Liste“, sagt Informatiker Matthias Redecker, „aber die Anfragen von Kunden nach eCl@ss-Daten steigen, auch international.“

Redeckers Job ist es, diese Daten zu liefern – er füllt sozusagen virtuelle Material-Schubladen, aus denen sich Elektroplaner weltweit mit allen möglichen Software-Tools bedienen können.

Etwa mit dem „Weidmüller Configurator“, den Informatiker Thorsten Naust betreut. Um zu zeigen, worum es geht, setzt er rasant einige Bauteile aus der Signaltechnik zu einer sogenannten Rangierverteilung zusammen. Aber eben nur virtuell: Mit ein paar Mausklicks holt er sich die in eCl@ss erfassten Einzelteile. Nach kaum zwei Minuten dreht Naust dann das 3-D-Modell auf dem Bildschirm hin und her: „Genauso kann unser Kunde seine persönliche Klemmleiste bestellfertig planen und den Prototyp in unsere Fertigung senden.“

Mehr Service für die Kunden also durch einfacher nutzbare Informationen und engere Anbindung – so weit, so gut. Aber kann diese Transparenz nicht nach hinten losgehen, weil man via eCl@ss sofort herausfinden kann, wer das gleiche Bauteil liefert – und womöglich günstiger? Aus Lobermeiers Sicht derzeit kein Problem: „Die Kunden begrüßen es, dass sie diese Daten einfach in ihr eigenes System einspielen können und honorieren den Service, den Weidmüller bietet – also eine Win-win-Situation für beide Seiten.“

Einsatz in rund 3.500 Unternehmen

  • Ein branchenübergreifender Standard für detaillierte Daten von Waren und Dienstleistungen – dafür steht der Begriff eCl@ss. Es gibt inzwischen rund 41.000 Produktklassen sowie knapp 18.000 Merkmale, der Standard wächst laufend weiter.
  • Der im Jahr 2000 gegründete Trägerverein hat heute knapp 150 Mitglieder in mehreren europäischen Ländern. Firmen wie Audi, BASF, Eon und Siemens sind von Anfang an dabei.
  • Das System ist in zehn Sprachen nutzbar und wird in unterschiedlichem Ausmaß von rund 3.500 Unternehmen weltweit eingesetzt.
  • Die eCl@ss-Geschäftsstelle ist im Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) angesiedelt. Mehr Infos im Web: eclass.eu