Schafft Deutschland den Kohleausstieg 2030? Damit das klappt, müssen als Ersatz neue Gaskraftwerke her. Planung, Genehmigung und Bau der Blöcke dauern sechs bis sieben Jahre. Da kommt die Bundesregierung mit ihrer Kraftwerksstrategie im Sommer recht spät. Die Zeit wird knapp. Schnellstmöglich muss es nun losgehen, fordern Industrieverbände. Sie sorgen sich, wie die stabile Stromversorgung künftig abgesichert wird.
Energieexperte Marco Wünsch vom Beratungsunternehmen Prognos ist dennoch zuversichtlich, für die Versorgung und für den Kohleausstieg: „Deutschland wird Silvester 2030 zwar nicht alle noch verbliebenen Kohlekraftwerke abschalten, aber: Bis dahin wird die Kohlestromerzeugung um mindestens 90 Prozent sinken.“
Gebraucht werden die neuen Gaskraftwerke als Ersatz für klimaschädlichere Stein- und Braunkohleblöcke sowie als Back-up für Zeiten mit Flaute, Windstille und bedecktem Himmel, wenn kaum Grünstrom erzeugt wird.
15 bis 20 Milliarden Euro kosten die neuen Kraftwerke
Dafür will die Bundesregierung zehn Gigawatt Erzeugungsleistung ausschreiben. Das wären etwa 20 neue Gaskraftwerke. Die Hälfte davon soll direkt so gebaut werden, dass sie sich künftig mit dem Energieträger Wasserstoff betreiben lässt, wie das etwa beim neuen Heizkraftwerk in Leipzig der Fall ist. Zudem sollen vier bestehende Erzeugungsanlagen wasserstofftauglich gemacht werden. 15 bis 20 Milliarden Euro werden die neuen Kraftwerke kosten. Sie sollen vorwiegend in Süd- und Westdeutschland errichtet werden.
Dabei ist jetzt Tempo nötig. Aber Energieversorger und Stadtwerke fangen nicht bei null an. Es sei bereits „eine Menge angestoßen“, berichtet Prognos-Experte Wünsch. „Ein halbes Dutzend Gaskraftwerke sind schon im Bau, allein drei in Baden-Württemberg beim Stromversorger EnBW.“ Weitere 16 Gasblöcke mit zehn Gigawatt Leistung sind in Planung. „Dadurch kann man schneller loslegen, wenn die Ausschreibungen kommen“, erklärt Wünsch. Oft setzen die Energieversorger dabei auf etablierte Kraftwerksstandorte. Das RWE etwa bereitet einen Neubau für Weisweiler bei Aachen vor.
Der Ausbau der Windenergie nimmt Fahrt auf
Soll der Kohleausstieg 2030 klappen, braucht es zudem mehr Grünstrom. Derzeit liegt der Ausbau bei der Solarenergie über dem Soll, die Windkraft an Land hinkt deutlich hinter den Zielen her. Aber: Die Genehmigungen für neue Windräder haben sich im letzten Jahr auf insgesamt acht Gigawatt Leistung verdoppelt. Wünsch: „2025, spätestens 2026 wird der Ausbau bei der Windenergie Fahrt aufnehmen.“

Hans Joachim Wolter schreibt bei aktiv vor allem über Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Produktinnovationen sowie die Pharma- und Chemie-Industrie. Der studierte Apotheker und Journalist begann bei der Tageszeitung „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen und wechselte dann zu einem Chemie-Fachmagazin in Frankfurt. Wenn er nicht im Internet nach Fakten gräbt, entspannt er bei Jazz-Musik, Fußballübertragungen oder in Kunstausstellungen.
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