Vom 26. bis 29. Mai 2016 ist es wieder so weit: Beim Bundeswettbewerb von „Jugend forscht“ beweist der Nachwuchs in Paderborn seinen Erfindergeist. „Wir suchen die Forscher von morgen“ – unter diesem Motto stand vor 50 Jahren der erste Wettbewerb von „Jugend forscht“.
Fortan konnten sich junge Tüftler und Denker jedes Jahr mit naturwissenschaftlichen, technischen oder mathematischen Arbeiten um Geld- und Sachpreise bewerben. Initiator von „Jugend forscht“ war der damalige „Stern“-Chefredakteur Henri Nannen, der den naturwissenschaftlichen Nachwuchs fördern wollte. Das Experiment glückte: Die Initiative von Bundesregierung, „Stern“, Wirtschaft, Wissenschaft und Schulen ist längst etabliert.
Rund 250.000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 21 Jahren haben bis heute für die Wettbewerbe auf regionaler, Landes- und Bundesebene die Köpfe rauchen lassen. Und viele von ihnen schlagen anschließend eine Berufslaufbahn ganz im Sinne Nannens ein: „Neun von zehn erfolgreichen Teilnehmern des Bundeswettbewerbs studieren ein naturwissenschaftliches oder mathematisches Fach beziehungsweise Medizin“, so „Jugend forscht“-Sprecherin Lena Christiansen. Einige machen aus ihren Erfindungen aber auch ein Geschäftsmodell.
Was genau ist aus einigen Ideen und klugen Köpfen geworden? Im Folgenden zeigen wir Ihnen sieben „Jugend forscht“-Projekte, die Marktreife erlangt haben oder kurz davor stehen:
Flüssigkeitserkennungssensor: Schlägt Alarm bei Schlauchlecks
Thomas Nesch absolvierte bei der Daimler AG in Sindelfingen eine Ausbildung zum Mechatroniker, als er 2008 auf Bundesebene den ersten Preis im Bereich Technik abräumte. Der damals 19-Jährige entwickelte einen Sensor, der Alarm schlägt, sobald Schläuche selbst minimale Mengen Flüssigkeit verlieren. Sogar zerstäubte Flüssigkeiten erkennt das Gerät, das mit einem handelsüblichen Sensorkopf ausgestattet ist.
Neschs Erfindung ist vor allem für Industrieroboter sinnvoll, die zum Lackieren von Automobil-Karosserien eingesetzt werden. Vom sogenannten Druckwächter können kleine Lecks nämlich nicht erkannt werden. Der „Flüssigkeitserkennungssensor“ des baden-württembergischen Erfinders überzeugte nicht nur die Jury, sondern auch seinen Arbeitgeber: Die Daimler AG setzte die zum Patent angemeldete Entwicklung umgehend in der Produktion ein.
Ferngesteuertes Ufo: Für Fotos von ganz oben
Ein ferngesteuertes Ufo, das dank vier Rotoren stabil in der Luft liegt – damit gewannen Daniel Gurdan (Foto links) und Klaus-Michael Doth im Jahr 2003 auf Bundesebene zwar „nur“ den vierten Platz im Bereich Technik. Doch danach starteten die beiden damals noch 20-jährigen Tüftler richtig durch. Eine Spielzeugfirma schließt mit ihnen einen Vermarktungsvertrag ab, auf der Nürnberger Spielzeugmesse sagen Großhändler die Abnahme Tausender Ufos zu.
2007 gründen Gurdan, Doth und weitere Partner die Firma „Ascending Technologies“ in Bayern, die mittlerweile Weltmarktführer für unbemannte Helikopter ist. Die Flugobjekte werden – bestückt mit Kameras – zum Beispiel zur Inspektion von Öl-Plattformen eingesetzt, zur Vermessung von landwirtschaftlichen Flächen und natürlich für reizvolle Luftaufnahmen.
„The Voice of Vocabulary“: Englisch pauken mit Musik
„The Voice of Vocabulary“ heißt die Software, mit der das Pauken englischer Vokabeln zum Kinderspiel werden soll. Der zu dem Zeitpunkt noch 17-jährige Marvin Scherschel gewann damit 2012 den saarländischen Landeswettbewerb von „Jugend forscht“ und will sich nun damit am Markt behaupten. Sein Programm sucht zu englischen Vokabeln einen Song, in dem das Wort vorkommt und präsentiert es dann zusammen mit dem Ohrwurm.
Die Paukerei soll auf diese Weise nicht nur unterhaltsamer, sondern auch effektiver werden. Denn wer Vokabeln mit einer Melodie verbindet, behält sie leichter im Kopf. Die Datenbank „Vofy“ soll – unterstützt vom digitalen Musikdienst Spotify - im Sommer 2016 online gehen und sich weitgehend automatisch um neue Songs aktualisieren.
Service-Roboter: Flexibel dank Ultraschallsensorik
In Schanghai bringen sie Kunden eines Einkaufszentrums in das richtige Geschäft, im Paderborner Heinz-Nixdorf-Museumsforum erklären sie Besuchern mehrsprachig die Exponate. Und auch in der Computerchip-Produktion machen sie sich nützlich: die Service-Roboter des thüringischen Unternehmens Metralabs.
1997 erlebte die Firma ihren Urknall. Damals stellten Christian Martin (Foto links) und Matthias Merten beim thüringischen „Jugend forscht“-Landeswettbewerb einen Roboter vor, der dank Ultraschallsensoren Hindernissen ausweichen konnte. Aus ihrer Idee formten die damals 18-jährigen Tüftler ein Unternehmen, das mittlerweile rund 250 elektronische Helfer in alle Welt entsandt hat.
Tandemdreirad: Die Welt im Liegen erradeln
Mit einem blinden Freund hatte er bereits eine 1.000 Kilometer lange Tour mit seiner Spezialkonstruktion unternommen. 1989 dann präsentierte Marec Hase aus Bochum sein „tourenfähiges Tandemdreirad“ beim Landeswettbewerb Nordrhein-Westfalen und wurde mit einem ersten Preis belohnt. Für den damals 18-Jährigen wurde schnell klar, dass aus seiner kuriosen Konstruktion mit zwei nebeneinander liegenden Sitzen mehr werden könnte.
Zusammen mit einem Ingenieur aus dem Flugzeugbau machte sich Hase 1994 selbstständig. Das erste Serienmodell war ein stabiles Dreirad, das vor allem zu Rehabilitationszwecken eingesetzt wurde. Heute werden die Liege- und Transporträder aus dem Hause „Hase Bikes“ in 21 Länder verkauft.
Hochauflösende Digitalkameras: Machen das Unsichtbare sichtbar
Ein 20-Jähriger machte sichtbar, was dem Auge sonst verborgen geblieben wäre. Mit einer speziellen hochauflösenden Digitalkamera nahm Martin Regehly aus Berlin 1998 beim „Jugend forscht“-Bundeswettbewerb teil. Der „Zeilensanner für ruhende Objekte“ war leicht zu bedienen und ermöglichte auch 360-Grad-Panorama-Bilder.
Regehlys Entwicklung, die ihm damals den zweiten Preis in der Kategorie Technik einbrachte, war die Basis für die Gründung der „Greateyes GmbH“. Regehly ist Geschäftsführer des Berliner Unternehmens. Entwickelt, produziert und verkauft werden nach wie vor hochleistungsfähige wissenschaftliche Kameras, die unter anderem winzige Defekte in Solarzellen sichtbar machen können.
Glasfaser-Netzwerk: Soundsystem gegen das Rauschen
Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen hat Marc Brunke das ganze Olympiastadion beschallt, beim katholischen Weltjugendtag 2005 waren es 1,5 Millionen Besucher, die er akustisch versorgte. Brunkes Soundsystem, mit dem er 1992 beim Bundeswettbewerb von „Jugend forscht“ den fünften Platz in der Sparte Technik belegte, hat die Musikbranche revolutioniert.
Das Audio-Glasfaser-Netzwerk-System des 18-jährigen Oberschleißheimers zerlegte bis zu 32 Tonsignale, schickte sie durch hauchdünne Lichtleiter und setzte sie beim Empfänger wieder zusammen. Die Zeiten von armdicken Kabelrollen zwischen Mikro und Verstärker waren damit vorbei. Auch das durch störanfällige Kupferkabel verursachte Brummen und Rauschen bei Konzerten gehört der Vergangenheit an. 2003 gründete Marc Brunke die Firma Optocore GmbH, die mit dem patentierten Soundsystem weltweit für einen lupenreinen Klang sorgt.