„Hallo, ich hätte da mal eine Frage …“ So fängt das Gespräch meistens an, wenn Dieter Vogel oder sein Kollege Bodo Schwabe den Hörer abnehmen. Dann müssen die beiden tief Luft holen und blitzschnell nachdenken. Denn meist geht’s ans Eingemachte: Bei der Hotline der Heizungs- und Lüftungstechnikfirma Wolf rufen Fachhandwerker an, wenn sie bei der Arbeit an einer Anlage vor Ort nicht mehr weiterwissen.
„Manchmal fehlt das detaillierte Fachwissen, das wir durch unsere Ausbildung von der Pike auf gelernt haben“, schildert Schwabe. Ein anderes Mal gibt es Schwierigkeiten, weil eine Anlage schon etwas älter ist. Kein Problem. „Wir kennen diese Geräte seit Jahrzehnten aus der Praxis.“
Als Servicetechniker haben beide früher viele, viele Anlagen gewartet, montiert und repariert. Statt sich nach einer gesundheitlichen Einschränkung vorzeitig in den Ruhestand zu verabschieden, unterstützen sie nun die Hotline der Mainburger – in einem flexiblen Arbeitszeitmodell: Vogel und Schwabe, beide 60 plus, teilen sich den Job und besetzen gemeinsam eine Stelle von elf Stunden am Tag.
Wissen und Kompetenz der älteren Mitarbeiter bleiben im Haus
Das Unternehmen ist froh darüber, denn man will auf erfahrenes Personal nicht verzichten. Die Firma sieht in der Lösung ein Modell, das Schule machen kann. „Jobsharing ermöglicht, dass Wissen und Kompetenz im Haus erhalten bleiben“, sagt Robert Hiesbauer, der Bereichsleiter Service von Wolf.
Die Schicht der Jobsharer überlappt sich bewusst – genau in der Mittagspause. So sind die Kundenanfragen auch in dieser Zeit gut abgedeckt. Und die übrigen Kollegen im Beratungsteam können in Ruhe einen Happen essen gehen.
Vogel, seit 1989 bei Wolf, und Schwabe, seit 1995 im Unternehmen, unterstützen die Fachhandwerker mit ihrem Wissen aus der Ferne. Vogel von seinem Zuhause in der Region Karlsruhe (Baden-Württemberg), Schwabe in der Nähe von Halle (Sachsen-Anhalt). Digitalisierung macht’s möglich. Das Unternehmen Wolf war hier der Zeit voraus, hat die Fernarbeitsplätze schon vor der Pandemie eingerichtet. So stand die nötige Technik parat.
Das Team findet immer wieder kreative Lösungen. Auch für das Funkloch im Heizungskeller („da unten gibt es meist kein Internet“), es wird elegant überbrückt: Dann legt der Monteur eben sein Handy mit Freisprechfunktion ans Kellerfenster. So kann er die Ratschläge der beiden Herren von der Hotline hören.
Das Modell lässt Zeit für die Ausbildung zum Yogalehrer
Öl- und Gasheizungen sind die Spezialität von Vogel und Schwabe. Doch auch mit neuen Technologien wie Lüftungsanlagen und Wärmepumpen, die Wolf ebenfalls herstellt, kommen sie in Kontakt. In der hauseigenen Wolf-Akademie hält man ihr Wissen up to date.
Reduzierte Arbeitszeit im Alter mittels Jobsharing: Den Schritt haben beide nicht bereut. „Wir sind froh, dass wir nicht in Altersteilzeit gegangen sind, sondern von zu Hause aus mit anpacken können“, heißt es unisono.
Vogel ist froh um die Aufgabe. Ein schwerer Autounfall brachte für ihn einst das Aus im Außendienst. Doch er kam wieder auf die Beine, lebt jetzt bewusster und schöpft Kraft aus der Arbeit. Nebenbei hat er eine Ausbildung zum Yogalehrer gemacht, leitet eine eigene Gruppe. Jobsharing macht’s möglich!
Für beide Mitarbeiter immer schön: „Wenn einer anruft, der uns von früher kennt.“ Dann wechselt man neben fachlichem Rat auch immer ein paar warme Worte.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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