Rom. Politisches Erdbeben im drittgrößten Staat der Eurozone: Bei den italienischen Parlamentswahlen hat jeder zweite Bürger europaskeptische bis fremdenfeindliche Populisten gewählt – sei es die ziemlich programmfreie Bewegung „5 Sterne“, sei es die rechtsgerichtete „Lega“. Es gibt keine Parteienkoalition, die sich offensichtlich aufdrängt, die Regierungsbildung dürfte sich hinziehen – und mit den harten Reformen, die Italien dringend nötig hätte, ist erstmal weiterhin nicht zu rechnen.
„Das Wahlergebnis wird die ökonomische Erholung erschweren“, urteilt daher das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Gewonnen hätten „diejenigen, die den Menschen mehr Staatsausgaben ohne Gegenfinanzierung versprochen haben – und damit den Bruch europäischer Regeln.“
Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist niedriger als früher
Mutige Vorschläge zur Verbesserung der wackligen Wirtschaftslage spielten im Wahlkampf kaum eine Rolle. Dabei liegt Italien mit nur 1,5 Prozent realem Wachstum im Jahr 2017 unter den 19 Staaten der Euro-Zone auf dem vorletzten Platz (ganz knapp vor Schlusslicht Griechenland). Für 2018 wird bestenfalls der gleiche Wert erwartet.
Dazu muss man wissen: Bei der Produktivität, also beim Output je Stunde, hat sich Italien seit zwei Jahrzehnten kaum verbessert. Und das Land hat nicht nur eine üble Krise hinter sich, sondern zwei! Das Bruttoinlandsprodukt sank 2008 und 2009 sowie erneut 2012 und 2013. Pro Kopf der heute 61 Millionen Bürger gerechnet, ist Italiens Wirtschaftsleistung geringer als um die Jahrtausendwende. Zum Vergleich: Bei uns ist sie seitdem um ein Viertel gestiegen.
Die Staatsverschuldung ist immer weiter gestiegen – und liegt jetzt bei 132 Prozent
Nach der zweifachen Rezession ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Besonders betroffen sind einerseits junge Leute, andererseits der chronisch schwache Süden des Landes. Arbeitslosenquote insgesamt: über 11 Prozent. Der deutsche Wert bei gleicher Erhebungsmethode: unter 4 Prozent (weil wir strenger messen, lagt unsere amtliche Quote im Februar bei 5,7 Prozent).
Und die Staatsverschuldung Italiens ist immer weiter gestiegen. Sie liegt inzwischen bei horrenden 132 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung – und damit mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Damit wären schon geringe Steigerungen des Zinsniveaus für Italiens Staatshaushalt nur schwer zu verkraften. Der kriselnde Bankensektor wiederum kämpft immer noch mit massenweise angehäuften faulen Krediten.
Immerhin: Sinnvolle Reformen der früheren Regierungen Monti und Renzi, etwa in Sachen Rente und Arbeitsmarkt, tragen erste Früchte. Im Index „Doing Business“ der Weltbank kletterte Italien vom peinlichen Rang 73 (2013) zuletzt immerhin auf Platz 46. Deutschland liegt da heute wie damals auf Platz 20.
Dieser positive Trend könnte sich bald wieder drehen. „Ich sehe mit Sorge, dass im Wahlkampf Versprechen wuchern, die geleistete Arbeit zu demontieren“, klagte vor der Wahl ein kundiger Zeitgenosse – Pier Carlo Padoan (68), Finanzminister im scheidenden Kabinett Gentiloni.