Jerusalem. Die ganze Welt blickt gebannt auf eine Jahrtausende alte Stadt: Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Amerikas Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, versetzt nicht nur den Nahen Osten in Aufregung – sondern auch die westlichen Industrienationen.

Doch die Pilgerstätte von drei Weltreligionen hat noch eine andere Facette: Sie ist, wie ganz Israel, ein Hort boomender Start-up-Unternehmen. Nur im kalifornischen Silicon Valley wird noch fleißiger getüftelt und gegründet. AKTIV hat die Region besucht.

Mehr Exporte durch Digitalisierung

Das erfolgreichste Digital-Unternehmen heißt Mobileye. In einem modernen Büroviertel am Stadtrand von Jerusalem arbeiten 700 Mitarbeiter daran, dass autonom fahrende Autos sich mithilfe von Software, Chips und Kameratechnik zielgerichtet bewegen.

Ein Drittel der israelischen Exporte stammt inzwischen aus dem Hightech-Bereich: „Dass sich Israel von einem landwirtschaftlich geprägten Land zu einer Hightech-Nation entwickelt hat, liegt an vielen Notständen“, sagt Grisha Alroi-Arloser, Geschäftsführer der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer, etwa an „der Bedrohung durch Nachbarstaaten, dem ungelösten Konflikt mit den Palästinensern, der Insellage inmitten autoritärer Staaten und der Wasserarmut“.

Hinzu kommen weitere Gründe, etwa die diversen Einwanderungswellen. 1948, dem Jahr der Staatsgründung, lebten 800.000 Menschen in Israel. Heute sind es knapp 9 Millionen. Selbst wenn sie wollten, so viele Menschen können gar nicht in der Landwirtschaft arbeiten, zumal etwa die Hälfte des Landes aus Wüste besteht.

Autonomes Fahren wird selbstverständlich sein

Ein Klima, in dem der Erfindergeist gedeiht. So sind bei Mobileye vor allem die Kameras gefragt. Acht davon braucht man, um in einem Pkw 360 Grad der Umgebung erfassen zu können. Die Kameras ersetzen das menschliche Auge. Noch geht es um Prototypen für die Automobil-Industrie. Schon bald aber, da sind sich die Firmengründer sicher, wird autonomes Fahren selbstverständlich sein.

Mobileye in Jerusalem zählt zu den rund 5.000 Start-ups landesweit – viele in der Digitalbranche, doch auch in der Medizintechnik und im Landwirtschaftssektor ist Israel stark. Die Firma Netafim etwa hat aus der Wasserarmut ein Geschäftsmodell entwickelt. Sie ist Weltmarktführer für Tröpfchenbewässerung. Das Schlauchsystem führt Wasser und Dünger dosiert und automatisch zu jeder einzelnen Pflanze.

USB-Stick wurde in Israel erfunden

Auch der USB-Stick, die Cherry-Tomate und der Epilierer sind israelische Entwicklungen. So viel Innovationskraft macht den Standort attraktiv: „Mehr und mehr deutsche Konzerne engagieren sich hier“, sagt Alroi-Arloser, der seit 40 Jahren die deutsch-israelischen Wirtschaftsbeziehungen beobachtet. Siemens etwa, Henkel, Bosch und alle Autobauer haben sich längst mit eigenen Innovationszentren niedergelassen.

Ein wichtiger Treiber für Neuerungen ist auch das Militär. Die staatlichen israelischen Rüstungsbetriebe sind für ihre technologisch ausgereiften und innovativen Produkte bekannt. Außerdem gilt die Armee als Talentschmiede.

Alle jungen Israelis leisten Militärdienst, die Männer drei, die Frauen zwei Jahre. Wer in einer Aufklärungs- oder Eliteeinheit gedient hat, wird meist vom Fleck weg von der Hightech-Industrie engagiert. Entsprechend niedrig ist die Arbeitslosigkeit mit 4,3 Prozent 2017.

Forschung wird staatlich gefördert

Auch der Staat fördert Innovation kräftig: Israel pumpt jährlich 4,25 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung – mehr als jedes andere Land der Welt. In Deutschland sind es nur knapp 3 Prozent.

Die Resultate überzeugen auch knallhart kalkulierende Investoren, etwas aus China oder aus den USA. So hat der Chip-Gigant Intel das Start-up Mobileye vor knapp einem Jahr für 15 Milliarden Dollar gekauft. Mit diesem Geld ziehen die Mobileye-Gründer jetzt das nächste große Ding auf: eine Brille mit Kamera, die Sehbehinderten Texte vorliest.

Israels Exporte: Von Jaffa-Orangen zu Hightech und Dienstleistungen

  • Vor 50 Jahren exportierte Israel in erster Linie Obst und Gemüse, allem voran Jaffa-Orangen. Heute beträgt der Anteil landwirtschaftlicher Produkte an den Ausfuhren nach Deutschland nur noch 3 Prozent.
  • 2016 kaufte Deutschland zum ersten Mal mehr Dienstleistungen als Waren in Israel ein. Auf dem Einkaufszettel stehen vor allem Software sowie Forschungs- und Entwicklungsleistungen.
  • Der deutsch-israelische Warenhandel hatte 2016 ein Volumen von 5,7 Milliarden Euro.

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Hier geht’s zu einem großen Israel-Dossier des Informationsdienstes iwd: iwd.de