Als die G. A. Röders GmbH vor sieben Jahren ihre hochmoderne Fabrik vor den Toren Soltaus einweihte, wehte ein Hauch von Innovation durch den Betrieb. „Roboter-Fertigung ist genau mein Ding“, erinnert sich Thilo Schmidt, 33, Werkzeugmacher und seit 2007 im Unternehmen. Doch die anfängliche Euphorie wurde längst von Ernüchterung abgelöst. Statt an der Weiterentwicklung der Anlagen zu arbeiten, kämpft Schmidt regelmäßig mit den Hürden der Bürokratie – allen voran mit der Maschinenrichtlinie.
Sie schreibt vor, dass selbst bei zertifizierten Anlagen jede Änderung neue Nachweise erfordert, um die Sicherheit erneut zu bestätigen. „Das macht doch keinen Sinn“, sagt Schmidt. „Schließlich besitzen die neuen Komponenten bereits ein CE-Kennzeichen.“ Jede Anpassung oder Modernisierung seiner Maschine zieht dennoch umfassende Nachweise nach sich – obwohl die verbauten Teile längst zertifiziert sind. „Wir sollen innovativ sein und werden von der Maschinenrichtlinie ausgebremst“, klagt Schmidt. „Das alles ist für ein Unternehmen unserer Größe nicht mehr praktikabel.“
Auch der Schmelzofen mit Wasserstoff scheiterte an Auflagen
Sein Chef Gerd Röders sieht das genauso. „Bürokratie frisst Zeit, Geld und Energie“, kommentiert der Unternehmer. Und nennt als Beispiel Maßnahmen wie die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist von Steuerunterlagen von zehn auf acht Jahre. „Was soll uns das bringen?“, fragt Röders. Sein Betrieb habe schon vor Jahren auf digitale Dokumentation umgestellt. Die Einsparung an Serverkosten sei marginal. „Die Idee, dass wir hier noch in alten Aktenordnern blättern, ist – gelinde gesagt – sehr lustig.“ Für ihn ist das Gesetz ein Tropfen auf den heißen Stein. Dabei gilt die mehr als 200 Jahre alte Gießerei mit ihren insgesamt 170 Mitarbeitern als eine der innovativsten in Deutschland.
Als Röders gemeinsam mit Partnern den ersten Tiegelschmelzofen für Aluminium entwickelte, der mit Wasserstoff betrieben wird, leistete das Unternehmen einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Doch auch dieses ambitionierte Projekt scheiterte an der Bürokratie. „Die Sicherheitsauflagen waren viel zu hoch“, sagt Röders. „Und damit das Risiko, dass wir uns strafbar machen.“ So blieb der Traum, durch Wasserstoff den CO2-Fußabdruck zu verbessern, auf der Strecke. „Es ist frustrierend, wenn Innovation durch überbordende Regelungen ausgebremst wird“, sagt Röders.
Erbschaftssteuer: Die Übergabe des Familienbetriebs gestaltet sich komplex
Sein Eindruck ist, dass die Behörden den Firmen misstrauen. „Unser Staat glaubt, jedes Unternehmen soll belegen, dass es rechtens arbeitet. Als wenn jeder Autofahrer der Polizei beweisen muss, dass er nicht zu schnell gefahren ist“, kritisiert er. Die Anforderungen an den Mittelstand seien vielfältig, und die Umsetzung koste Kraft und Personal.
Bei der G. A. Röders GmbH achteten mittlerweile 17 Beauftragte auf die Einhaltung von Auflagen, Vorschriften und Verordnungen. Wo früher produziert wurde, seien heute zusätzliche Büroarbeitsplätze entstanden. „Für einen Mittelständler ist das doch irre. Unser Job ist es, Teile zu produzieren zu wettbewerbsfähigen Preisen und nicht, dass unsere Mitarbeiter zunehmend Verwaltungsaufgaben übernehmen“, sagt Röders. Und dabei habe er das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz noch gar nicht erwähnt.
„Für einen Mittelständler ist das doch irre: Unser Job ist es, Teile zu produzieren, nicht Verwaltungsaufgaben zu übernehmen“
Gerd Röders, Geschäftsführer
Mit Blick auf künftige Herausforderungen ist der Geschäftsführer besorgt. In einigen Jahren will Gerd Röders gemeinsam mit seinem Vetter Andreas Röders das Unternehmen in die siebte Generation übergeben. Geplant ist, die Firma an ihre beiden Söhne weiterzureichen. Ein großer Schritt, der durch die entstehende Erbschaftsteuer erschwert werden könnte.„Die Erbschaftsteuer ist eine tickende Zeitbombe für den Mittelstand“, warnt Röders. Der Hintergrund: Deutschland langt bei Erbschaften von Betriebsvermögen deutlich stärker zu als andere Staaten. Die Übergabe eines über 200 Jahre alten Betriebs sollte eigentlich ein Grund zur Freude sein, sagt Röders. Stattdessen drohen steuerliche Belastungen.
Projekt für Azubis: ein E-Kart entwickeln
Von den Herausforderungen der Bürokratie kann auch Ausbildungsleiterin Ann Kathrin von Hülse ein Lied singen. Die 42-Jährige arbeitet auch als Nachhaltigkeitsbeauftragte und muss dafür über 70 Datenpunkte im Unternehmen erfassen und dokumentieren. Eine Aufgabe, die immer mehr ihrer Arbeitszeit beanspruche, sagt sie: „Das ist extreme Bürokratie.“ Dabei würde sie diese Zeit viel lieber in Projekte mit Auszubildenden investieren.
Zuletzt schickte das Unternehmen vier Auszubildende nach Brüssel, um sich vor Ort anzusehen, wie Europa funktioniert. Ihre Eindrücke teilten sie über einen firmeneigenen Röders-Podcast. Ein weiteres Highlight: das Projekt „E-Kart“, in dem die Azubis auf der Kart-Strecke im benachbarten Bispingen ein Elektro-Kart entwickelten und testeten. Firmenchef Röders stellte dafür 10.000 Euro zur Verfügung – mit einer klaren Vorgabe: „Das E-Kart muss schneller sein als das Verbrenner-Kart!“
Bürokratie statt Innovation: Viele Firmen reiben sich im Papierkrieg auf
„Wer solche coolen Projekte für den Nachwuchs anbietet, freut sich über große Resonanz“, sagt von Hülse. Tatsächlich hat das Unternehmen bereits alle Ausbildungsplätze für 2025 vergeben. Ein Erfolg, der in Zeiten des Fachkräftemangels nicht selbstverständlich ist. Röders bleibt dennoch nicht untätig. Regelmäßig tauscht er sich mit Politikern aus. Jedes Jahr ist zum Beispiel der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil zu Gast bei der G. A. Röders GmbH. „Herr Klingbeil kennt unsere Probleme und hört aufmerksam zu“, sagt Röders. „Aber wir brauchen keine warmen Worte, sondern endlich spürbare Erleichterungen.“
Die Bürokratie sei ein schleichendes Gift, das den Mittelstand lähme. „Für unsere Unternehmen wird die Zeit knapp“, sagt Röders. „Wenn der Bürokratieabbau nicht bald Realität wird, könnten viele Betriebe am Papierkrieg scheitern.“
Das Unternehmen
- Die G. A. Röders GmbH ist ein traditionsreiches Familienunternehmen mit Sitz in Soltau. Gegründet vor über 200 Jahren, wird es heute in sechster Generation geführt.
- Das Unternehmen beschäftigt rund 500 Mitarbeitende, darunter 17 Auszubildende.
- Röders ist spezialisiert auf die Druck- und Spritzgießerei und fertigt Präzisionsteile für anspruchsvolle Branchen wie die Automobil- und Luftfahrt-Industrie sowie die Medizintechnik.
Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.
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