Lahr / Villingen-Schwenningen / St. Georgen. Manchen Betrieben kann man beim Wachsen zusehen. Etwa in Villingen-Schwenningen. Noch im Mai flogen dort bei einem Spatenstich des Zahnrad- und Getriebespezialisten IMS Gear Erdklumpen durch die Luft, schon steht das Grundgerüst einer neuen Halle, bald soll dort produziert werden. Oder in St. Georgen: Dort hat das Unternehmen ebm-papst 21 Millionen Euro in neue Produktionsbereiche investiert, hier entstehen nun täglich Tausende Motoren und Elektronik-Baugruppen für die Antriebstechnik.

Und auch die Belegschaft des Unternehmens Grohe in Lahr hat gute Zukunftsaussichten: Mehr als 700 Mitarbeiter produzieren hier bis zu 20.000 Handbrausen pro Tag für die Duschen dieser Welt – und die Nachfrage steigt ständig!

Wohin Geld fließt, ist keine leichte Entscheidung

Deshalb investierte der Grohe-Konzern mit Hauptsitz in Düsseldorf hier jüngst einen zweistelligen Millionenbetrag. „Daran haben Sie alle mitgearbeitet“, sagte Werkleiter Hans-Martin Souchon stolz zu seinen Mitarbeitern, als das ganze Werk mit vielen Ehrengästen aus aller Welt eine riesige neue Galvanik-Anlage einweihte. Die Halle, in der diese Anlage Kunststoff-Brausen verchromt, sei Anfang des Jahres noch „ein riesiges schwarzes Loch“ gewesen, beschreibt Souchon. Die Kapazitäten zur Verchromung von Brausen steigen durch die Investition um 70 Prozent.

Wo investiert wird, das ist für Betriebe allerdings keine leichte Entscheidung. Dass Deutschland einer der teuersten Standorte weltweit ist, trübt für viele die Vorteile. Der Anteil vom Umsatz, den die hiesige Industrie in Investitionen steckt, ist übrigens laut Statistischem Landesamt über Jahrzehnte hinweg gesunken. 1980 lag er bei 4,7 Prozent, zuletzt nur noch bei 3,4 Prozent.

Was Grohe trotzdem zu der Millioneninvestition veranlasste, ist die große Nachfrage nach Qualität aus Deutschland. Der Standort Lahr zeichne sich durch wichtige Kernkompetenzen aus, etwa bei der Herstellung und Verarbeitung von Silikon. „Dafür braucht man ein großes Know-how“, erklärt Werkleiter Souchon. Eine Silikonmatte mit Löchern sorgt bei den Brausen von Grohe etwa dafür, dass sie sich fast von selbst reinigen.

„Hier haben wir die Technologie und die Kompetenz, um höchst innovative Produkte zu entwickeln und zu produzieren“, sagt Souchon. Beispiel: Das Luxus-Duschsystem „AquaSymphony“. Damit kann man per Smartphone alles vom Sprühnebel bis zum Wasserfall zaubern, dazu einen Lichtvorhang und Klänge.

Die Qualitätsstrategie geht für Grohe auf. Vorstandschef Michael Rauterkus sagte der Lahrer Belegschaft, was für ihn den Erfolg eines Unternehmens ausmacht: „Es ist die Kultur. Und es sind die Mitarbeiter.“

Hiesige Industriebetriebe haben immer mehr Produktionsmittel im Ausland

Die Industrie Baden-Württembergs investiert auch massiv im Ausland. Das zeigt die Statistik der Deutschen Bundesbank.

2012 stammten jenseits der Grenzen noch Produktionsmittel im Wert von 57 Milliarden Euro von hiesigen Betrieben. Nur drei Jahre später waren es schon fast 70 Milliarden Euro. Ökonomen sprechen vom „Bestand an Direktinvestitionen“. Und der wächst in der Auto-Industrie besonders stark.

Diese Entwicklung ist schon länger zu beobachten. Von 1995 bis 2014 sind die Mittel der Betriebe im Ausland um mehr als 500 Prozent gewachsen, das hiesige „Bruttoanlagevermögen“ aber, sprich die Produktionsmittel in der Heimat, nur um 22 Prozent.

Die internationale Verflechtung steigt

Hauptmotiv für Auslandsproduktion ist in der Metall- und Elektro-Industrie der Kostenvorteil. In einer Umfrage nannten diesen Grund 45 Prozent der Unternehmen. Ein Gutachten im Auftrag des Landes-Wirtschaftsministeriums beleuchtet jetzt die Perspektiven des Standorts. Laut dem Papier haben 9 Prozent der Betriebe allein in den Jahren 2013 bis 2015 Produktion ins Ausland verlagert.

Wachsende Auslandsinvestitionen seien zwar oft Teil einer Internationalisierungsstrategie, die auch hiesigen Standorten nütze, heißt es in dem Gutachten. Doch die Politik könne sich nicht darauf verlassen, dass der Standort dauerhaft „Rückenwind“ habe.

Interview

Professor Bernhard Boockmann. Foto: IAW
Professor Bernhard Boockmann. Foto: IAW

Wie der Südwesten attraktiv bleibt

Tübingen. Die Industrie investiert in vielen Regionen – aber auch genug? AKTIV hat darüber mit dem Ökonomen Professor Bernhard Boockmann gesprochen, dem wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung an der Universität Tübingen. Das Institut war jetzt maßgeblich an der Erstellung eines Gutachtens für die Landesregierung über die Perspektiven des Standorts Baden-Württemberg beteiligt.

Man liest oft das Wort „Investitionsschwäche“. Gibt’s die wirklich?

Ja, langfristig sind die Investitionen deutlich zurückgegangen, auch wenn diese Entwicklung im Südwesten etwas weniger stark ausgeprägt ist als im Rest Deutschlands.

Müssen wir befürchten, dass immer mehr Betriebe ins Ausland verschwinden?

In einigen Bereichen wird tatsächlich immer mehr im Ausland investiert, etwa in der Auto-Industrie. Und im Ausland werden verstärkt Kapazitäten in Bereichen aufgebaut, die früher ausschließlich hier stattgefunden haben, wie Forschung und Entwicklung.

Ist das ein Alarmsignal?

Diese Entwicklung muss nicht zwangsläufig problematisch für den hiesigen Standort sein. Man sollte sie aber im Auge behalten. Kritisch wäre sicherlich, wenn hierzulande Forschungskapazitäten abgebaut werden und solche Kerntätigkeiten dauerhaft aus Deutschland abwandern.

Wie lauten Ihre Empfehlungen für Politiker?

Wir müssen viel mehr ins Bildungssystem investieren als bisher. Wichtig ist auch der Ausbau der Infrastruktur: Die Betriebe brauchen nicht nur den Breitbandausbau, sondern auch bessere Verkehrswege und Mobilitätskonzepte.

Also muss erst einmal von Seiten der Politik mehr investiert werden?

Ja, die öffentlichen Investitionen sind stark rückläufig. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, die wiederum der Wirtschaft das Investieren erleichtern.