Köln. Eine Masse von Problemen türmt sich vor der nächsten Bundesregierung auf: Was muss sie schnell anpacken? aktiv fragte Professor Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Herr Professor Bardt, gibt es bei der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Lage eigentlich irgendeinen Grund für Optimismus im Wahljahr 2025?

Es gibt immer Grund für Optimismus. Eine veränderte Regierungskoalition kann einen neuen Ansatz finden und Neues voranbringen. Ein Grund zur Hoffnung liegt aber vor allem in der Innovationskraft unserer Unternehmen.

Aber die nächste Regierung steht doch vor den gleichen Problemen, an denen die Ampel gescheitert ist.

Richtig. Es wird darauf ankommen, ob sie die Kraft zu den nötigen Kompromissen aufbringen kann, die der Ampel gefehlt hat.

Sie haben die Innovationskraft der Unternehmen erwähnt. Was muss die nächste Regierungsmehrheit der Wirtschaft denn liefern?

Damit Unternehmen in Deutschland investieren und so Wachstum, Beschäftigung und damit Wohlstand schaffen können, müssen wir an die allgemeinen Standortbedingungen ran. Bei der Höhe der Unternehmensteuern etwa sind wir im weltweiten Vergleich weit vorn. Bei den Arbeitszeiten liegen wir weiter hinten. Unsere Sozialbeiträge, also Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, steigen tendenziell. Dadurch wird Arbeit teurer. Und unsere hohen Energiepreise sind ein Riesenproblem für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Wir brauchen diesen Schub der Modernisierung, damit die große Aufgabe, die Dekarbonisierung, gelingen kann …

… also die Transformation zur Klimaneutralität, die Deutschland bis 2045 erreichen will.

Dafür brauchen wir eine glaubwürdige Politik, die Dekarbonisierung überhaupt erst möglich macht. Der Staat muss ganz klar definieren, wo er die Wirtschaft unterstützt und wo vielleicht auch nicht.

Warum?

Bei der Dekarbonisierung fallen erhebliche Mehrkosten an, die aber von den Unternehmen nicht an den Markt weitergegeben werden können. Deshalb muss da am Ende der Staat mit einspringen. Und noch einmal zu den Energiekosten: Wir brauchen die glaubwürdige, unterlegte Zusage der Politik, dass wir da zu wettbewerbsfähigen Preisen kommen.

Der Weg zur Klimaneutralität bürdet den Unternehmen ja auch noch viel Bürokratie auf.

Dabei geht es um komplizierte Genehmigungsverfahren, enge Regulierung und umfangreiche Dokumentationspflichten. Gerade Letzteres frustriert Unternehmen, die den Eindruck haben, dass mit hohem Kostenaufwand eine Menge Papier vollgeschrieben wird, ohne dass das eine echte Wirkung hätte.

Kann eine neue Regierung denn daran im nationalen Alleingang überhaupt was ändern?

Viele dieser Regeln liegen auf EU-Ebene. Und das ist auch gut so, weil es sonst in jedem der 27 Mitgliedsstaaten unterschiedliche gäbe. Aber Deutschland muss auf Vereinfachung drängen und sich dafür den Elan der neuen EU-Kommission zunutze machen. Denn die Kommission hat sich ja das Thema Wettbewerbsfähigkeit auf die Fahnen geschrieben.

Womit wir beim Außenhandel wären. Was bringt denn das Abkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten?

Jedes Abkommen, das Handel vereinfacht, hilft der deutschen Wirtschaft, die international so stark vernetzt ist wie kaum eine andere in der Welt. Deshalb haben wir auch unter Handelskonflikten besonders zu leiden. Ich kann nur hoffen, dass die Ratifizierung des Abkommens durch die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament keine zeitraubende Hängepartie wird. Auch wenn bessere Handelsbeziehungen zu Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay die Risiken nicht ausgleichen können, die mit den Drohungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump verbunden sind.

US-Präsident Donald Trump hat Zölle von 25 Prozent auf Produkte aus der EU angekündigt. Wie wird sich das für uns auswirken? 

Klar ist: Für uns mit unserer exportorientierten Industrie wird es teuer. Bis zum Ende seiner Amtszeit kann uns das ein Prozent der Wirtschaftsleistung kosten. Angesichts der anhaltenden Stagnation in Deutschland können wir das überhaupt nicht gebrauchen. Aber wie schlimm es wirklich wird, hängt von den Details und möglichen Verhandlungsergebnissen ab. 

Und was kann eine deutsche Regierung da überhaupt machen? 

Mit dem Pochen auf Regeln, etwa der Welthandelsorganisation WTO, wird man bei Trump wohl nichts erreichen. Aber im Detail kann man verhandeln und die Zölle damit abschwächen. Amerika ist ja an vielen Stellen auf Einfuhren aus Deutschland angewiesen und will gleichzeitig seine Waren in Europa auf den Markt bringen. Gefordert ist die Bundesregierung, vor allem aber auch die EU. Hier liegt die Kompetenz in Handelsfragen. Und als europäischer Wirtschaftsraum sind wir viel stärker als jedes einzelne Land für sich. Das gibt eine bessere Verhandlungsposition gegenüber der Trump-Administration. 

Druckmittel gegen Trump haben wir also keine? 

Europa kann Gegendruck aufbauen und Angebote machen. Aber das wird kaum reichen, um das Thema vom Tisch zu kriegen. Mit viel politischem Geschick kann es gelingen, dass wir mit einem blauen Auge davonkommen. Aber ohne wirtschaftliche Schäden wird es nicht enden. 

Gucken wir noch mal auf Deutschland. Wann könnte sich eine neue Politik positiv auswirken? 

Für 2025 würde ich da konjunkturell noch nicht viel erwarten. Immerhin aber könnte ein klar formulierter Koalitionsvertrag zu Optimismus führen und dazu, dass sich einige Investitionsbremsen lösen. Aber das geht alles nicht von heute auf morgen.

Zur Person

Professor Hubertus Bardt, Geschäftsführer und Leiter Wissenschaft des Instituts der deutschen Wirtschaft.

  • Studium der Volkswirtschaftslehre an der Philipps-Universität Marburg und der Betriebswirtschaftslehre an der Fern-­Universität in Hagen.
  • Honorarprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
  • Forschungsschwerpunkte: Wirtschaftspolitik, Industriepolitik, Klimaökonomie
Thomas Goldau
Redaktionsleiter aktiv

Thomas Goldau schreibt bei aktiv vor allem über Wirtschafts- und Politikthemen. Nach dem Politikstudium an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg und einem Zeitungsvolontariat beim „Offenburger Tageblatt“ hat er bei Tageszeitungen und einem Wirtschaftsmagazin über den Politikbetrieb in Bonn, Berlin und Brüssel berichtet. Privat zieht es den Familienvater regelmäßig mit dem Wohnmobil in die Ferne.

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