Heidelberg. Für Menschen, die noch nie gearbeitet haben oder etwa für Praktikanten: Die Arbeitgeber fordern, in Ausnahmefällen weniger als den gesetzlichen Mindestlohn zahlen zu dürfen. Ob das Grundgesetz dies erlaubt, erklärt Professor Bernd Grzeszick, Verfassungsrechtler an der Universität Heidelberg.

Den gesetzlichen Mindestlohn unterschreiten: Ist das im Sinne der Gleichbehandlung überhaupt möglich?

Auch beim Mindestlohn gilt: Jedes Gesetz muss alle Menschen gleich behandeln. Gleichzeitig darf der Gesetzgeber Gesetze mit einem bestimmten Ziel erlassen. Ausnahmen, die diese Ziele differenzieren, sind daher in Ordnung.

Was bedeutet das konkret?

Das Ziel des Mindestlohngesetzes lautet vorrangig: Existenzsicherung. Ein Arbeitnehmer sollte für seine Leistung so bezahlt werden, dass er davon leben kann. Ein ganz anderes Ziel haben beispielsweise Studenten, die ein Praktikum machen: Ihre Tätigkeit dient der Ausbildung. Das ist ein Unterschied, den das Grundgesetz zulässt.

Welche Ausnahmen wären noch zulässig?

Schauen wir auf ungelernte Einsteiger ins Berufsleben. Der Anreiz für sie sollte sein, eine Ausbildung zu absolvieren. Nur so kann sich ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt langfristig verbessern. Ihnen fehlt dieser Anreiz unter Umständen, wenn sie vom ersten Arbeitstag an schon den Mindestlohn bekommen und damit mehr Geld als ein Azubi. Dies könnte eine Ausnahmeregel verhindern.

Etwa für Maßnahmen, die die Integration in den Arbeitsmarkt fördern?

Das ist richtig. Beispiel Langzeitarbeitslose: Ihr Job-Einstieg könnte erleichtert werden, indem Firmen ihnen in der Anfangsphase einen geringeren Lohn zahlen dürfen. Auch das wäre durch den Gleichbehandlungsgrundsatz gedeckt.