Köln/Stuttgart. Wie sich die Corona-Krise auf das Innovationsgeschehen am Industriestandort Baden-Württemberg auswirkt, darüber sprach aktiv mit Oliver Koppel. Er ist Innovationsexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
„Die Metall- und Elektro-Industrie ist in Baden-Württemberg in Sachen Innovation das unangefochtene Zugpferd.“ Oliver Koppel, IW Köln
Die Metall- und Elektro-Industrie im Südwesten steckt tief in der Krise. Leidet ihre Innovationskraft darunter?
Zunächst muss man feststellen, dass die Branche in puncto Innovation das unangefochtene Zugpferd ist. Mehr als neun von zehn Patentanmeldungen aus Baden-Württemberg stammten zuletzt (2017) aus der M+E-Industrie. In keinem anderen Bundesland liegt der Anteil höher. Das wissen wir aus unserer Patentdatenbank, in der wir alle Anmeldungen systematisch erfassen und analysieren.

Ist die Corona-Krise Gift für diesen Erfindungsreichtum?
Auf kleinere Unternehmen bis etwa 100 Mitarbeiter wirkt sich die Krise sicher sehr stark aus: Sie sind häufig wegen fehlender Liquidität gezwungen, Forschung nach Kassenlage zu betreiben. Sie entwickeln etwas, wenn sie von Kunden dazu einen Auftrag bekommen. Um eine patentwürdige Erfindung hervorzubringen, bedarf es nämlich ordentlicher materieller Ressourcen, und man braucht einen langen Atem.
Und größere Unternehmen können trotz Krise weiterforschen?
Meist haben sie ihre Budgets für Forschung und Entwicklung schon auf mehrere Jahre im Voraus geplant. Bevor Unternehmen in der Entwicklung sparen, sparen sie lieber anderswo. Innovation ist für sie einfach überlebenswichtig, um aus der Krise wieder herauszukommen – weil der internationale Wettbewerb sehr hart ist.
Was brauchen Unternehmen jetzt von der Politik?
Alles, was ihre Liquidität verbessert, hilft. Etwa Steuererleichterungen. Die steuerliche Forschungsförderung, die es seit diesem Jahr gibt, greift viel zu kurz. Die Maximalförderung ist restriktiv gedeckelt und damit eigentlich nur für Kleinunternehmen interessant.
Gibt die Bundesregierung zu wenig Geld für Forschung aus?
Leider ja. Der Staat hat seinen Finanzierungsanteil an den Forschungsausgaben der Wirtschaft systematisch zurückgefahren, von rund 12 Prozent nach der Wiedervereinigung auf unter 4 Prozent. Der Staat fördert zwar öffentliche Institutionen geradezu opulent. Leider profitiert die Industrie davon kaum.