Remscheid. Wolfgang Teller eilt durch die Werkstatt, viel Arbeit wartet. Ein Schleifgerät ist zu reparieren, Bohrmaschinen müssen gecheckt werden. Teller schraubt, reinigt, lötet. Er hält bei der Remscheider Firma Karl Diederichs (Markenname Dirostahl) alle kleineren elektrischen Geräte, die im Betrieb genutzt werden, in Schuss und dokumentiert die vorgeschriebenen Wartungen. Seit fast fünf Jahren macht er das.
Drei Jahre mit vielen Operationen
Man würde nie darauf kommen, dass Teller nur eingeschränkt arbeiten kann. Dabei ist er schwerbehindert. Vor ein paar Jahren sah es noch so aus, als müsste er in Frührente gehen. Mit Mitte 50!
Der Mann war damals als Betriebselektriker bei einem Schwesterwerk seines heutigen Arbeitgebers beschäftigt. Ob ein Kabel brach oder ein Kurzschluss die Produktion lahmlegte – Teller kümmerte sich darum. Dazu musste er überall hin, notfalls auch klettern. Und genau das geht nicht mehr, seit er Ende 2007 von einer Plattform stürzte und sich kompliziert den Fuß verletzte.
„Zuerst dachte ich, nach sechs Wochen bin ich wieder da, aber am Ende hat es drei Jahre gedauert“, erzählt der heute 61-Jährige. Drei Jahre mit vielen Operationen. Und der Angst: Wie geht es weiter? Bei Karl Diederichs gelang schließlich der berufliche Neustart in der Werkstatt.
Die Firma ist eine der größten und modernsten privaten Freiformschmieden in Europa. Hier entstehen Schmiedestücke mit einem Gewicht von 10 bis 35.000 Kilogramm, die dann in Windkraftanlagen oder Schiffsturbinen, in Textilmaschinen oder Seilbahnen eingebaut werden. Ein klassischer Metallbetrieb, in dem natürlich hohe Sicherheitsanforderungen gelten. Dazu gehören auch Sicherheitsschuhe. Und genau die konnte Teller nicht mehr anziehen.
In seiner Werkstatt muss er das nicht. Und klettern oder lange stehen auch nicht. Deshalb ist der Job für ihn ein Glücksfall.
Auch für seine Firma. Personalleiter Marcus Wößner: „Wir haben die Stelle zwar für Herrn Teller eingerichtet, aber dann schnell gemerkt, dass uns eine solche Kraft die ganze Zeit gefehlt hat.“
Ungewöhnlich ist diese Geschichte für die Firma allerdings nicht. 30 von knapp 500 Mitarbeitern sind schwerbehindert – also gut 6 Prozent. Das sind mehr als die gesetzlich geforderten 5 Prozent. „Natürlich haben Unternehmen auch eine gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Wößner. „Andererseits profitieren wir von solchen Mitarbeitern. Ihre Fachkenntnisse sind für uns wertvoll.“ Das gilt auch für Axel Witty, der als junger Mann 1981 im Unternehmen anfing. Er war Dreher. Und dann, nach einem Schlaganfall vor vier Jahren, war eine hohe körperliche Belastung undenkbar geworden. Heute ist er für die Messmittel verantwortlich – wie beispielsweise Schieblehren, mit denen er auch fertige Stücke vor der Auslieferung nachmisst.
Es sei nicht immer einfach, Stellen für Schwerbehinderte einzurichten, räumt Personalchef Wößner ein. Aber es lohne sich: „Die meisten Mitarbeiter bleiben bis zur Rente bei uns. Und wir versuchen, ihr Können und ihre Erfahrung für das Unternehmen zu erhalten – auch, wenn das für uns mal schwieriger wird.“