Ob unsere Industrie global wettbewerbsfähig bleibt, hängt auch davon ab, wie sie sich bei wichtigen Schlüsseltechnologien schlägt. Deshalb strecken viele baden-württembergische Unternehmen ihre Fühler in die technologische Zukunft aus. Wir stellen fünf Beispiele für wegweisende Forschung und Entwicklung vor.
Festo: Bakterien für Wasserstoff-Speicherung
Auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ruhen große Hoffnungen. Das Problem ist aber: Momentan lässt sich das Element nur bei extremen Temperaturen und unter hohem Druck speichern oder transportieren. Und das erfordert eine Menge Energie. Der Automatisierungsspezialist Festo aus Esslingen verfolgt nun einen völlig neuen Lösungsansatz, gemeinsam mit Molekularbiologen der Goethe-Uni in Frankfurt. Die Hauptrolle spielt dabei ein besonderes Bakterium. Das Bakterium kann Wasserstoff in Ameisensäure umwandeln, die viel einfacher zu speichern und transportieren ist. Am Zielort sollen die Bakterien den Prozess dann umkehren – und aus der Ameisensäure wieder Wasserstoff machen.
Porsche: Zweites Leben für Auto-Akkus
In Batterien stecken eine Menge Rohstoffe. Trotzdem ist das Batterierecycling in Europa noch im Aufbau. Mit seinem „Second Life“-Konzept geht Porsche einen anderen, originellen Weg: Mit 4.400 gebrauchten Batteriemodulen für E-Fahrzeuge hat der Autobauer einen stationären Stromspeicher gebaut. Die Batterien stammen aus Vorserien- und Werkmodellen des Taycan und sind nun Teil des Energiemanagements im Werk Leipzig.
Damit wurden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die zusätzlichen Speicherkapazitäten machen das Leipziger Werk noch ein Stück unabhängiger in puncto Strom. Und anstatt die Batterien aufwendig zu recyceln, nachdem sie im Auto ausgedient haben, dürfen sie sich in einem zweiten Dasein weiterhin nützlich machen. So werden Umwelt und Ressourcen geschont. Das Projekt könnte als Modell für weitere Porsche-Standorte dienen. Und als Vorbild für andere: Mit dem Speicher möchte Porsche eine Vorreiterrolle einnehmen.
Smarter Boden für flexible Fertigung
Zwischen fliesenartigen Quadraten leuchten helle Linien. Fahrerlose Transportsysteme bahnen sich darauf den Weg zu den Maschinen – die am nächsten Tag vielleicht schon wieder woanders stehen! Nur noch die Wände, das Dach und der Boden sind fix, alles andere ist flexibel: So sieht für Bosch die Fabrik der Zukunft aus. „Bisher ist es ein riesiger Aufwand, Wertströme umzustellen, wenn neue Aufträge es erfordern“, sagt Harald Lukosz von Bosch Rexroth. „Alles muss neu verkabelt werden, man braucht neue Bodenmarkierungen und vieles mehr.“
Der smarte Boden macht das viel einfacher: Diese baukastenartig aufgebaute Infrastruktur beinhaltet unter anderem kontaktlose Energieübertragungselemente, mit denen Maschinen und Transportfahrzeuge kabellos versorgt werden können. Die mit Sensoren bestückten Bodenmodule sammeln Daten und geben per LED-Signal Informationen zurück. Sie weisen Wege oder zeigen, wo ein Auftrag abgeschlossen ist oder eine Störung besteht. Die Bosch-Vision geht noch weiter: Künftig soll die Fabrik den optimalen Wertstrom ermitteln und die Transportwege automatisch anpassen.
eCampus für Batteriezellen
Sie sind ein zentrales Teil in jedem E-Fahrzeug: die Batterien. Ihre Qualität hängt von der chemischen Zusammensetzung und vom Herstellungsprozess der Zellen ab. Deshalb hat Mercedes massiv in die Entwicklung von Hochleistungszellen investiert. Auf dem jüngst eröffneten eCampus am Stammsitz in Stuttgart-Untertürkheim soll die ideale Zelle entstehen: schnell zu laden und mit hoher Energiedichte. Gleichzeitig möchte Mercedes die Fertigungsprozesse optimieren und so die Batteriekosten um mehr als 30 Prozent senken. Im „Industrial Cell Lab“ des eCampus werden bereits Batteriezellen mit unterschiedlicher Chemie im industriellen Maßstab gefertigt und getestet. Bald kommt noch eine Batterieanlauffabrik dazu: Dort sollen Batterien auf Herz und Nieren geprüft werden – sprich: auf Sicherheit und Lebensdauer getestet.
Quantencomputing für optimalen Materialeinsatz
Er sieht aus wie ein Puzzle: Ein Plan zeigt an, wie man aus einer Blechtafel ein Maximum an Teilen herausschneiden kann. „Nesting“ nennt man diese Methode – auf Deutsch: verschachteln. Bislang geschieht dies meist von Hand. Denn dabei geht es nicht nur um die Form der Teile, sondern auch darum, wie sie geschnitten werden müssen, damit sie nach dem Schneiden nicht umkippen. Ein Computer kann das zwar alles berechnen, braucht dafür aber sehr lange. Quantencomputer schaffen solche schwierigen Rechenaufgaben dagegen in Minuten! Deshalb erforscht der Ditzinger Maschinenbauer Trumpf gemeinsam mit Partnern, wie solche Superrechner industrietauglich gemacht werden können. In Zukunft könnten sie zum Beispiel auch optimale Zeitpläne für die Fertigung erstellen.
Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.
Alle Beiträge der AutorinBarbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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