Hannover. Wie verändert Industrie 4.0 den Alltag in der Produktion? Was bedeutet das für die Beschäftigten? Und welche Chancen eröffnet das Zusammenspiel von Maschine, Daten und Menschen für die Betriebe? Beim „Industrie 4.0 Kongress 2018“ des Arbeitgeberverbands Niedersachsenmetall im Schloss Herrenhausen in Hannover gab es dazu von fast einem Dutzend Referenten geballte Informationen für die 256 Teilnehmer. Besonders spannend, wie weit mittelständische Metall- und Elektro-Firmen mit der Digitalisierung sind. Hier drei Beispiele:

Beispiel 1: Firma Vision Lasertechnik: Das Programm „Jeannie“ erklärt alles

Konstruktionszeichnungen für Aufträge organisieren, nötige Teile bestellen, Tipps von Kollegen einholen – „all das übernimmt bei uns heute Jeannie“, berichtet Philipp Becker, kaufmännischer Leiter bei der Firma Vision Lasertechnik in Barsinghausen. Das Programm steuert heute die Abläufe in der Produktion.

Die 70 Mitarbeiter von Vision Lasertechnik entwickeln, produzieren und vertreiben seit 30 Jahren Lasersysteme für Medizin und Industrie. Und hören heute auf Jeannie. Mit weiblicher Stimme erläutert sie dem Werker, woran er beim neuen Auftrag denken muss. Greift er zum falschen Werkzeug oder ordnet er eine Teilebox falsch zu, sagt Jeannie: „Achtung Fehler. Prüfen Sie, ob die korrekte Transportbox geladen wurde.“ Oder sie informiert den Werker an der Maschine: „Ich habe einen neuen Auftrag erhalten.“ Alle wichtigen Informationen dazu werden online hinterlegt. Weiterhin gibt es eine elektronische Stele in der Produktionshalle, die jeden Mitarbeiter per Kamera erkennt und ihm die für seine Aufgabe nötigen Infos gibt.

Dank der Sprachsteuerung eignen sich Beschäftigte neue Tätigkeiten leichter an. Becker: „Wenn wir einen Mitarbeiter in eine Software einarbeiten, brauchen wir dazu kaum länger als fünf Minuten.“

Auch innerhalb der Produktion informieren sich die Werker digital. Beckers Fazit: „Die Digitalisierung hat uns das Leben viel einfacher gemacht.“

Beispiel 2: Antriebstechnik-Hersteller Lenze: Die Datenflut kanalisiert

Für das Unternehmen Lenze in Hameln geht es bei der Digitalisierung zunächst einmal darum, die Datenflut in den Griff zu bekommen. Sieben Millionen E-Mails sind jedes Jahr zu bearbeiten, 300 Millionen Spams wollen jährlich abgeblockt werden. 131 Millionen Mal pro Monat klicken Kunden im Internet Produkte, Teile oder die Anfrageseite des Herstellers von Antriebs- und Automatisierungstechnik (3.700 Mitarbeiter) an.

„Daten sind bei uns omnipräsent“, sagt Vorstand Innovation Frank Maier. Und sie wollen richtig eingestuft und gemanagt werden. „Datenqualität und Datenschutz sind daher heute von zentraler Bedeutung für uns.“ Deshalb hat Lenze schon vor 20 Jahren eine Tochter gegründet, die heute Daten für 20 Millionen Produktvarianten gespeichert hat – Tendenz steigend.

Zudem werde Flexibilität in der Fertigung zu einem „entscheidenden Faktor“, weiß Maier. Produkte sollen zunehmend individualisiert sein. „Früher musste eine Maschine ein Produkt so effizient und hochwertig wie möglich herstellen. Heute muss sie auch perfekt arbeiten, wenn Details gefordert sind, die nur einmal gefertigt werden.“ Losgröße eins heißt das in der Sprache der Konstrukteure.

Zugleich aber dürfe eine Maschine nicht zu kompliziert sein, weiß Maier: „Sie muss spielend leicht zu bedienen sein, weil der Fachkräftemangel zu einem ernsten Problem wird.“ Bei den CNC-Fräsmaschinen im Betrieb sei das schon so. Die könne selbst seine zehnjährige Tochter steuern.

Beispiel 3: Autozulieferer Nass Magnet: Auch 20 Jahre alte Maschinen digitalisiert

Wenn beim hannoverschen Autozulieferer Nass Magnet das Team den Stand der Produktion bespricht, leuchten die wichtigsten Infos und Kennzahlen zu den Anlagen auf einem großen Monitor auf. Anhand farblicher Signale können die Mitarbeiter in der topmodernen Leitwarte schnell erkennen, wie die Dinge stehen. Ein grünes Signal heißt, dass eine Anlage voll ausgelastet ist. Gelb bedeutet, dass sie im Augenblick gerüstet wird. Und grau, dass sie auf Aufträge wartet.

15 Millionen Einheiten fertigen die 600 Mitarbeiter jährlich. Vor fünf Jahren begann der Familienbetrieb, die Produktion zu digitalisieren. „Wir haben dabei auch bis zu 20 Jahre alte Maschinen einbezogen“, sagt Michael Weper, Mitglied der Geschäftsführung. „Parallel dazu haben wir in kleinen Schritten die Mitarbeiter geschult.“ Wichtig sei, die Belegschaft mitzunehmen. Sonst funktioniere Digitalisierung nicht.