Marktheidenfeld/Taufkirchen/Regensburg. Vor zwei Jahren erst hat Procter & Gamble Manufacturing eine neue Fertigungshalle im unterfränkischen Marktheidenfeld eingeweiht. Dort stellt die Firma elektrische Zahnbürsten der Marke „Oral B“ für den Weltmarkt her – und zwar hoch automatisiert.
Heute stößt die Halle bereits an ihre Kapazitätsgrenzen. Das Werk mit mehr als 1.400 Mitarbeitern will weiter wachsen, braucht noch mehr Platz und schafft mehr Jobs. Eine Erfolgsgeschichte made in Bayern – und ein Beispiel, das zeigt: Digitalisierung und Automatisierung halten die Produktion in der Industrie auch im Hochlohnland Deutschland wettbewerbsfähig.
Mitarbeiter werden andere Tätigkeiten ausüben
Was aber bedeutet Digitalisierung in der Industrie konkret? Modernste Informationstechnik verbindet Maschinen und Werkstücke. Mitarbeiter überwachen die Fertigung online. Fabriken vernetzen sich mit Kunden und Lieferanten. Dadurch wird Produktion so wirtschaftlich und flexibel wie nie zuvor – und sichert letztlich Jobs. Davon profitieren alle, auch die Mitarbeiter.
Denn: „Menschen werden weiterhin gebraucht“, betont Holger Bonin, Forschungsdirektor am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Der Wandel durch die Digitalisierung verändere zwar die Arbeit – „aber er schafft sie nicht ab“. Bonin geht, wie viele weitere Experten, davon aus, dass Mitarbeiter in Zukunft andere Tätigkeiten ausüben werden, Arbeit digitaler wird, Mensch und Maschine zusammenarbeiten und sich neue Berufsbilder entwickeln. Fazit: „Wir werden uns weiterbilden müssen.“
Im Privatleben haben wir uns ja längst auf die neue Technik eingestellt. Selbstverständlich buchen wir unsere nächste Reise online, bestellen unsere Pizza per App oder rufen Abfahrtszeiten der Züge mit dem Smartphone auf – vor wenigen Jahren noch undenkbar.
Firmen investieren in Weiterbildung
Was ihre Mitarbeiter künftig im Job können müssen, wissen die Unternehmen tatsächlich am besten. Vorgaben von außen sind da eher hinderlich. Fast alle Metall- und Elektrobetriebe in Bayern bieten Weiterbildungen an, das belegt die Benchmark-Studie 2018 der Arbeitgeberverbände.
Dabei schneiden die Firmen die Fortbildungen auf den tatsächlichen Bedarf zu. Und bilden verstärkt ungelernte Kräfte weiter. Laut Benchmark-Studie stieg die Weiterbildungsquote bei un- und angelernten Mitarbeitern von 28 Prozent im Jahr 2012 auf über 40 Prozent im Jahr 2017. So verfügen denn auch viele Beschäftigte von Procter & Gamble über Kompetenzen, die es früher noch nicht gab: Die Firma schult inhouse, damit ehemals ungelernte Kräfte nun Spezialmaschinen bedienen können.
Zudem werden Roboter nur einen Teil der Arbeit übernehmen. Vorteile bringen sie etwa, wenn es um monotone Jobs geht. Für Entwicklung und kreative Arbeit braucht es weiterhin den Menschen, bestätigt IZA-Experte Bonin. Das zeigt zum Beispiel auch Airbus Defence & Space: Der Raumfahrtzulieferer errichtet in Taufkirchen bei München eine Industrie-4.0-Factory, fertigt dort Solargeneratoren für Satelliten. Die Roboter übernehmen die Produktion, Durchlaufzeit und Kosten halbieren sich. Und die 170 Mitarbeiter des Bereichs stecken ihre Arbeitskraft künftig in die Weiterentwicklung der Technologien und erledigen Aufträge in der Fertigung von Wissenschaftssatelliten, für die bislang die Kapazitäten fehlten.
Neue Freiräume schaffen: Das macht Unternehmen flexibler. Und Flexibilität ist genau das, was Betriebe heute brauchen, um den wachsenden Ansprüchen ihrer Kunden gerecht zu werden. Diese fordern immer häufiger individuelle Fertigung, vergeben Aufträge sehr kurzfristig. Um diese Produktionsspitzen abzufangen, reagieren Betriebe etwa mit Zeitkonten: Die Mitarbeiter packen mit an, wenn es die Auftragslage erfordert. Und können die angesparte Zeit später, wenn weniger zu tun ist, für private Dinge einsetzen.
Das kommt den Beschäftigten zugute, die ihrerseits oft mehr Flexibilität zwischen Berufs- und Privatleben wünschen. Auch hier hilft digitale Technik: Sie erlaubt es, viele Aufgaben zeit- und ortsunabhängig zu erledigen.
Bislang hat jeder Technologiesprung zu mehr Wohlstand geführt
Übrigens: Die Einführung neuer, bahnbrechender Technologien hat gerade im vergangenen Jahrhundert immer wieder zu Umbrüchen geführt. Doch die Entwicklung zeigt: Seit vielen Generationen schon führt die Industrialisierung zu mehr Wohlstand.
Jeder grundlegende technische Fortschritt verleiht dem Wachstum ganz neuen Schub – das erste Mal bald nach der Erfindung der Dampfmaschine: In nur rund sechs Jahrzehnten ließ die erste industrielle Revolution die Wirtschaftsleistung pro Kopf in Deutschland auf das Zweieinhalbfache steigen. Nach der zweiten industriellen Revolution, dem Fließband, gab es auch Ausschläge nach unten – Grund sind die beiden Weltkriege. Auf die „Stunde null“ 1945 folgt bald wieder ein beachtlicher Aufschwung, das deutsche „Wirtschaftswunder“.
Als dann in den 1970er Jahren die Rechner kommen, mit Speicherbändern, gibt es ganz ähnliche Ängste wie heute: Machen Computer uns etwa überflüssig? Tatsächlich ist die Arbeitsleistung pro Kopf immer weiter gestiegen.
Mehr zum Themen-Special
Arbeitswelt im Wandel: Die Mitarbeiter in Bayerns Metall- und Elektroindustrie haben durchaus Grund zum Optimismus. Das zeigt das aktiv-Themen-Special anlässlich des 1. Mai. Hier geht’s zur Einführung.
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