Düsseldorf. In keinem anderen Bundesland ist die deutsche Textil-Industrie so stark wie in Nordrhein-Westfalen. Hier produzieren die meisten Betriebe der Branche. „Damit ist NRW das textile Herz Deutschlands“, sagt Detlef Braun, Leiter der „ZiTex – Textil & Mode NRW“ mit Sitz in Düsseldorf.

Nur wisse das eben kaum einer. Denn die knapp 200 Unternehmen zwischen Rhein und Weser verkauften zuletzt (Stand 2015) Produkte im Gesamtwert von fast 3,5 Milliarden Euro, „die nicht immer sexy sind, aber uns trotzdem oft den Alltag erleichtern, ohne dass wir es wissen“, so Braun.

Beispiel: technische Textilien. Sie stecken in Airbags, verstärken Autobahnasphalt oder stützen als winziges textiles Gitter Blutgefäße. Knapp 50 Prozent ihres Umsatzes erwirtschafteten die NRW-Textiler mit diesen speziellen Stoffen.

Jeder zweite Umsatz-Euro entfällt auf Spezial-Textilien – ein Exportschlager

Damit sind sie auch weltweit erfolgreich. Insgesamt geht fast die Hälfte der Tech-Tex-Produkte ins Ausland – vorzugsweise in europäische Nachbarstaaten wie Polen, die Niederlande oder Österreich. Dabei machen etwa die chinesischen Billiganbieter den Mittelständlern kräftig Konkurrenz. „Produziert wird dennoch hauptsächlich an heimischen Standorten“, so Braun.

Wie funktioniert das eigentlich, trotz höherer Löhne und strengerer Umweltauflagen? AKTIV stellt beispielhaft drei interessante Unternehmen vor.

1. Kundennähe: Penn Textile Solutions sucht weltweit modische Trends

Paderborn. Profi-Radler kennen das: Die Trikotnaht reibt da, wo es auf Dauer unangenehm wird. „Das passiert mit unseren Stoffen nicht. Sie haben keine Nähte“, sagt Thomas Siemensmeyer, Chef von Penn Textile Solutions in Paderborn.

Dort stricken, wirken und färben 130 Mitarbeiter jährlich 1,8 Millionen Meter Maschenstoff. Die elastischen Textilien schmiegen sich optimal an den Körper und stecken in Sportkleidung, BHs und Dessous – etwa von Triumph. Der hohe Tragekomfort ist weltweit gefragt. „Besonders Chinesinnen wollen qualitativ hochwertige Wäsche“, weiß Siemensmeyer. Anschmiegsamkeit allein reicht aber nicht aus: „Wir müssen auch Modetrends frühzeitig erkennen. Dafür brauchen wir die Nähe zum Kunden.“

Deshalb tourt der Paderborner weltweit über Messen – und sucht neue Ideen. Eine davon ist ein Body, gewirkt aus Mikromodal und Baumwolle. Die Masche wechselt übergangslos von einer Netz- in eine Spitzenoptik. Siemensmeyer: „Das hat bisher noch keiner auf dem Markt.“

2. Fachkräfte: Güth & Wolf setzt auf textile Studiengänge

Gütersloh. Beim Band- und Gurtweber Güth & Wolf dreht sich alles um Sicherheit. „Und zwar für Mensch und Material“, erklärt Firmenchef Hermann Güth. Aus den jährlich vier Millionen Kilogramm vornehmlich synthetischer Garne entstehen Gurte und Bänder in 41.000 unterschiedlichen Varianten.

Die sichern Hobby- und Industriekletterer, stecken in Autos und Turniertrampolinen oder hieven als Schlaufen geformt 600 Tonnen schwere Stahlrohre für die Befestigung von Windkraftanlagen empor. Schnelligkeit und räumliche Nähe zu den Kunden machen den Erfolg aus. „Deshalb haben wir uns vor Jahren entschieden, nicht nach Asien zu gehen“, sagt Güth.

Auch bei der Produktentwicklung setzen die Ostwestfalen auf Tempo. Patente seien gut, so Güth: „Aber der bessere Schutz ist Schnelligkeit und Kompetenz beim Kunden.“ Das ginge nur mit gut ausgebildeten und flexiblen Mitarbeitern.

Der Betrieb nutzt dafür etwa die textilen Studiengänge an der Fachhochschule in Mönchengladbach. Mit Erfolg! Viele der Produkte, die zurzeit auf den Maschinen laufen, wurden erst in den letzten zwei Jahren entwickelt.

3. Innovation: Delcotex entwickelt neue Klebetechnik

Bielefeld. Wahrscheinlich fährt jeder von uns mit Textilien von Delcotex durch die Gegend. „Der Keilriemen im Auto ist mit unseren Geweben verstärkt, deshalb reißt er nicht mehr“, erklärt Rudolf Delius, geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens aus Bielefeld.

Jährlich produziert der 145-Mann-Betrieb 45 Millionen Quadratmeter technische Textilien. Die beschichteten Gewebe und Gelege aus Synthetikfasern verstärken etwa in Kaufhäusern Waren- und Transportbänder, dienen als Scharnier bei Pkw-Airbags und fliegen als Heißluftballon oder Fallschirm über unseren Köpfen. Delius: „Bei uns geht es darum, Produkte fester und leichter zu machen.“ Da ist dem 1773 als Leinenweber gegründeten Unternehmen ein Coup gelungen.

Es geht um Organobleche für die Auto-Industrie. Das sind Glasfasergitter, die Stahlteile in Karosserien ersetzen können. Die werden jetzt, statt in zwei Produktionsstufen, in einem Rutsch schon in der Gelegeanlage oder Webmaschine thermoplastisch verklebt. Delius: „Der Produktionsprozess verkürzt sich. Das spart Zeit und Geld.“ Der so entstandene Faserverbundwerkstoff soll eine weitere Produktfamilie und Innovation von Delcotex sein.