Hannover. Zehn Meter über dem Boden schweben, sich über schwankende Bretterbrücken hangeln oder am Seil mit wehenden Haaren an Baumwipfeln vorbeigleiten: Abenteuer pur im Hochseilgarten. Das mulmige Gefühl im Magen? Volle Absicht!

„Die Leute wollen den Nervenkitzel. Nur wandern reicht ihnen nicht mehr“, sagt Ulrike Mai vom deutschen Ableger der European Ropes Course Association in Hannover, in der sich Betreiber von Kletter- und Seilgärten zusammengeschlossen haben.

Deutschland hängt in den Seilen – und zwar in rund 500 Kletter- und Hochseilparks, die zuletzt von zwei Millionen Wagemutigen besucht wurden. „Man muss dafür nicht besonders sportlich sein“, versichert Mai. Mittlerweile gehöre das Klettern zum Breitensport.

Der Kick am Seil bringt der Branche laut Zahlen des Verbandes mehr als 40 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Ganze Familien trauen sich am Wochenende in schwindelnde Höhen, Schulklassen absolvieren Parcours, Betriebe buchen Kletterpartien als Teamevent und Kindergeburtstage finden in luftiger Höhe statt. Allein 2015 haben bundesweit acht neue Kletterparadise eröffnet.

Die Investitionen in einen solchen Park mit oft über zehn Parcours können in die Hunderttausende gehen. Dabei gibt es unterschiedliche Schwierigkeitsstufen und Höhen. Mai: „Das beginnt bei 1 oder 2 Metern, an denen schon Kindergartenkinder kraxeln, und endet bei 13 Metern für Profis.“

Aktuell hieße das Motto: höher, schneller, weiter, etwa mit Kurvenseilbahnen. Die erste sogenannte Fly-Line Deutschlands wurde vergangenes Jahr im Abenteuerpark-Saar im Saarbrücker Stadtwald installiert.

Der Clou: Statt nur geradeaus, fliegt man mit Helm und Gurt gesichert in engen Schwüngen und Kurven durchs Grüne – zehn Meter über dem Boden, 350 Meter weit. Und für Profis gibt es Nachtklettern mit anschließendem Zelten und Lagerfeuer.

„Nur ein paar Seile spannen, damit ist es nicht getan“, weiß Werner Vetter. Sein Unternehmen Faszinatour aus dem bayerischen Immenstadt baute 1997 den ersten touristischen Hochseilgarten im Allgäu. Die Kletterer müssten sich jederzeit sicher fühlen, betont Vetter. So nutzen viele Betreiber heute ein System mit verbundenen Sicherungshaken: Ist ein Karabiner offen, blockiert der andere so lange, bis der erste wieder am Seil eingehängt und verriegelt ist.

„Auch das Personal muss geschult sein“, fordert Ulrike Mai, die im Hunsrück zwei Hochseilgärten betreibt. Dazu gehören Betreuer, die vor der Kletterpartie in den Gurt einweisen und nach Seilknoten schauen, beim Anziehen helfen und den Sitz des Helms prüfen.

Hinzu kommen ausgebildete Retter, um im Ernstfall den Kletternden beizustehen. Verletzte hat Mai selbst noch nicht gehabt. Meistens seien die Einsätze harmlos: „Da ruft auch schon mal das Schulkind um Hilfe, das dringend auf die Toilette muss.“