Der Lebenszyklus einer Getränkedose aus Alu beträgt 60 Tage“, sagt Marcel Tappert. Alle zwei Monate steht sie wieder gefüllt im Regal. Vorher aber passiert sie das UBC-Center von Speira in Neuss: Dort werden die leeren Behälter geschreddert, sortiert, geschmolzen, zu Alubarren gegossen – und im benachbarten Walzwerk Alunorf später zu Coils aus dünnem Dosenblech gewalzt.
UBC steht für „used beverage cans“, auf Deutsch: gebrauchte Getränkedosen. 50.000 Tonnen Alu pro Jahr recycelt das UBC-Center. „Wir bekommen Dosen aus ganz Europa“, sagt Industriemeister Tappert, stellvertretender Leiter Recycling und Gießerei. In Europa werden 76 Prozent der Alu-Dosen wiederverwertet – in Deutschland wegen des Pfands sogar über 99 Prozent.
In der Halle von Speira stapeln sich bunte, mannshohe Blöcke aus zusammengepressten Cola-, Bier- oder Energy-Drink-Dosen. Jede Palette wiegt eine Tonne. 200 davon schredden die Neusser an einem Tag. Eine Sortieranlage trennt die Dosenteilchen anschließend nach Größe und verteilt sie auf die verschiedenen Produktionslinien.
Herstellung von Primär-Alu eingestellt
In den Ofen darf nur Alu, aber im Schrott kann noch alles Mögliche sein. Mit Magnetfeldern und anderen Technologien werden deshalb Kunststoff, Papier und andere Metalle identifiziert und aussortiert. Der reine Alu-Schrott gelangt automatisiert in ein Drehrohr. „Das ist wie die Trommel einer Waschmaschine“, erklärt Tappert, „nur strömt kein Wasser, sondern heißes Gas ein.“ Die Lackreste schmelzen und die ehemals bunten Fetzen rutschen ins flüssige Metallbad.
Tappert und seine UBC-Kollegen sind Teil eines großen Wandels. Ende 2023 hat ihr Unternehmen die energieintensive Primär-Alu-Herstellung aus Bauxit-Erz beendet. „Das Aufbrechen des Aluminiumoxid-Moleküls brauchte sehr viel Strom“, sagt Speira-Geschäftsführer Volker Backs. „Mit dem Recycling von Aluminium positionieren wir uns nun als nachhaltiges Unternehmen.“
Durch den Recycling-Trend könnten noch mehr Jobs entstehen
Ob neu oder recycelt – Alu ist gefragt. Das Leichtmetall wird für Autos, Maschinen, Batterien und viele weitere Anwendungen gebraucht. „Wir wollen, dass dieses Material in Europa bleibt“, sagt Backs. Das Rheinwerk in Neuss soll der führende europäische Knotenpunkt des Alu-Recyclings werden. Aktuell hat das Rheinwerk 430 Beschäftigte, Tendenz steigend.
Erstarkt nach hartem Schnitt
Der Ausstieg aus der Primär-Alu-Produktion per Elektrolyse war ein harter Schnitt, immerhin 400 Arbeitsplätze hingen daran. Aus der Elektrolyse zur Gießerei zu wechseln, ist nicht ganz einfach, denn die Arbeitsprozesse unterscheiden sich stark. Aber Speira hat viel Erfahrung: Die erste Elektrolyse-Anlage wurde schon im Jahr 2008 stillgelegt, viele Mitarbeiter konnten seither umschulen. Und perspektivisch sollen mehr Jobs im Recycling entstehen, als es in der Primärerzeugung je gab.
Das Unternehmen
- Material für Getränkedosen gehört zu den größten Geschäftsfeldern von Speira – neben Automotive, Verpackungen, Druckund Bau-Industrie sowie Maschinenbau.
- Das Aluwalz- und Recycling-Unternehmen hat elf Standorte in Deutschland und Norwegen und recycelt bis zu 650.000 Tonnen des Leichtmetalls im Jahr.
- Bei Speira arbeiten 5.400 Mitarbeiter. In Grevenbroich betreibt die Firma das größte Alu-Veredelungswerk der Welt. Alunorf, ein Joint Venture mit Novelis, ist das weltgrößte Walzwerk.

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.
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