München. Junge Menschen in Bayern haben nach ihrer Schulzeit beste berufliche Perspektiven. 85 Prozent derer, die den Weg in die berufliche Bildung einschlagen, beginnen direkt eine vollqualifizierende Ausbildung: Das bedeutet, dass am Ende ein Berufsabschluss steht. Nur 15 Prozent landen zunächst im sogenannten Übergangssystem – also etwa Angebote der Arbeitsagenturen mit berufsvorbereitendem oder allgemeinbildendem Charakter. Auch für Hauptschüler stehen die Chancen in Bayern deutlich besser als anderswo (Grafik).

Die Zahlen stammen aus dem kürzlich veröffentlichten „Ländermonitor berufliche Bildung 2015“ der Bertelsmann-Stiftung: Sie hat in einem aufwendigen Verfahren das neueste verfügbare Datenmaterial (für 2013) ausgewertet.

Fachkräfte-Mangel verbessert die Aussichten auf dem Lehrstellen-Markt

Im Freistaat starteten 62,4 Prozent derer, die von der Schule in die berufliche Bildung wechseln, direkt eine klassische duale Ausbildung, also Berufsschule plus Lehrstelle im Betrieb, etwa in der Metall- und Elektroindustrie. Hinzu kommen 22,4 Prozent, die ihren Abschluss, etwa in sozialen Berufen, durch eine schulische Ausbildung erzielen. Zusammen ergibt das die 85 Prozent – das ist der höchste Wert aller Bundesländer und deutlich höher als der Bundesdurchschnitt (74 Prozent).



„Ein wichtiger Grund für die gute Ausbildungssituation in Bayern ist die leistungsstarke Wirtschaftsstruktur des Landes“, erklärt Lars Thies, Bildungsexperte der Bertelsmann-Stiftung. „Der Arbeitsmarkt ist robust, die Industrie stark“, sagt er. „Das alles führt zu einem großen Angebot an Ausbildungsplätzen.“

Bei den Hauptschülern ist die Diskrepanz zwischen dem Freistaat und den übrigen Bundesländern sogar noch ausgeprägter. 71 Prozent der Jugendlichen mit maximal einem Hauptschulabschluss beginnen eine vollqualifizierende Ausbildung. Deutschlandweit sind es dagegen nur 51 Prozent.

Hauptschulen (oder Mittelschulen wie sie in Bayern mittlerweile genannt werden) hätten im Freistaat noch einen hohen Stellenwert und seien sehr leistungsfähig, erklärt Thies den Befund der Studie. Sein Fazit lautet: „Letztlich spricht vieles dafür, dass ein Hauptschulabschluss in Bayern von den Unternehmen besser akzeptiert wird als in anderen Bundesländern.“

Neben den guten Schulen und einer starken Wirtschaft verbessert in Bayern auch der zunehmende Fachkräftemangel die Aussichten für Schulabgänger auf dem Lehrstellen-Markt. Denn für Betriebe wird es zunehmend schwieriger, Nachwuchs zu finden: Die Zahl junger Menschen nimmt kontinuierlich ab, es wollen mehr Schulabgänger als früher studieren; zudem klagen viele Unternehmen über nicht ausbildungsreife Lehrstellenbewerber.

Die sogenannte Angebots-Nachfrage-Relation für eine duale Ausbildung etwa lag laut Bertelsmann-Studie 2013 in Bayern bei knapp 102 Prozent. Das bedeutet: Rein rechnerisch gab es sogar etwas mehr Ausbildungsstellen als Bewerber – auch wenn sie wegen mangelnder Ausbildungsreife, geringer Flexibilität bei der Berufswahl oder fehlender Mobilität nicht immer zusammenpassten. 2007 lag die Relation noch bei 89 Prozent, die Bewerber waren also klar in der Überzahl.

Unternehmen ziehen deshalb verstärkt auch solche Bewerber für einen Ausbildungsplatz in Betracht, die noch vor Jahren wenig Chancen gehabt haben. Und sie sind bereit, zu diesem Zweck deutlich mehr zu investieren als früher.

Das beginnt schon mit Praktika, Schnuppertagen, Informationsveranstaltungen im Betrieb sowie Besuchen in Schulen. Die Unternehmen stellen sich potenziellen Azubis vor – das ist nicht nur Eigenwerbung, es macht es den jungen Leuten auch einfacher, den für sie richtigen Beruf zu finden. Gleichzeitig kümmern sich Unternehmen intensiv um ihre Azubis, damit sie nicht nur im Betrieb ihre Leistung bringen, sondern auch in der Berufsschule mitkommen.

In Bayern haben Arbeitgeber mehr Erfolg dabei als in den meisten anderen Bundesländern, die richtigen Kandidaten für eine Ausbildung auszuwählen und sie bis zum Abschluss zu bringen: Nur 22 Prozent der Ausbildungsverträge im dualen System werden vorzeitig aufgelöst. Und 89 Prozent aller Jugendlichen, die eine vollqualifizierende Ausbildung anstreben, schaffen schließlich ihren Abschluss.

Betriebe bieten viel Orientierung für den Nachwuchs

Herzogenaurach/Nürnberg. Die richtige Entscheidung für eine Ausbildung treffen: Viele Betriebe helfen den Jugendlichen dabei, wie diese Beispiele zeigen.

Schaeffler: Praktika und Schulpatenschaften

Der Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler in Herzogenaurach zeigt schon früh, wo’s langgeht im Beruf. Das fränkische Unternehmen setzt auf Patenschaften mit Schulen. Ausbilder und Azubis informieren an Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien der Region. Im Werkunterricht zeigen sie den Schülern, wie ihre Arbeit aussieht und was dort gefordert ist: Dass man für technische Berufe Mathe und Physik braucht und es in der kaufmännischen Ausbildung nicht ohne Rechnungswesen geht.

Für Jürgen Schreiner, Ausbilder für Technisches Produktdesign bei Schaeffler, ist die Zusammenarbeit mit den Schulen wichtig: „Wer von Anfang an über die Anforderungen im Beruf Bescheid weiß, bei dem läuft es auch in der Lehre glatt.“

Die Azubis, so Schreiber, starten gut informiert in den Job. Dafür sorgen auch Schnupperpraktika, etwa für Mechatroniker. Sie sind beliebt und meist schon ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht. Für Lehrer gibt es Praxis-Kurse zu den Metallberufen. Das Konzept geht auf: „In den letzten Jahren hatten wir keine Abbrecher mehr“, so Schreiner. „Im Gegenteil, die Jugendlichen gehen motiviert an ihre Ausbildung heran, wie die guten Prüfungsergebnisse zeigen.“

Leoni: Elterninformation und Preis für Praxis-Projekte

Der Kabelhersteller Leoni in Nürnberg erhielt für seine ideenreichen Praxis-Projekte zur Berufsorientierung kürzlich auf Bundesebene einen Preis: Der Arbeitskreis Schule-Wirtschaft, der Firmen und Schulen zusammenbringt, zeichnete das durchdachte Engagement der Franken aus. Da schauen sich Grundschüler im Werk „Papas Alltag an“, die Mädchen unter den Auszubildenden drehten einen Film über ihre Berufe: „Die Heavy Metal Girls“. Dazu gibt’s Karrieretage, die „Nacht der Ausbildung“ mit jährlich 800 Besuchern im Betrieb sowie jede Menge Praktika. Hier können Schüler ausprobieren, ob ihnen Feilen, Bohren oder Sägen liegen.

„Die Auswahl ist groß, die jungen Leute brauchen Orientierung“, sagt Silke Gatt, Referentin für Ausbildung und Studium am Standort Roth bei Leoni. Deshalb bindet das Unternehmen auch die Eltern ein, erklärt ihnen Bewerbung und Berufe. Gatt: „Ziehen sie mit, tun sich die Azubis leichter.“