Berlin. Endlich ist es so weit: In den Impfzentren beginnt bald bundesweit die große Corona-Schutzkampagne. Auf den Impfstoffen lasten gewaltige Hoffnungen. Trotzdem wird es noch viele Monate dauern, bis wir alle zu einem normalen Leben zurückkehren können.
Mit einem regelrechten Kraftakt bereiten sich Industrie, Zulieferer und Logistik auf den Tag X vor – nach der Polio-Schutzimpfung gegen Kinderlähmung ab den 60er Jahren die größte Impf-Offensive der deutschen Geschichte.
Ab 2021 will Biontech in Marburg die Massenproduktion starten
Noch bis Jahresende will Biontech in Mainz und Idar-Oberstein 100 Millionen Dosen seines Impfstoffs „BNT162b2“ produzieren. Die Mainzer haben neben der US-Firma Moderna und der britischen AstraZeneca die Nase am weitesten vorn. Die Produktion von Biontech läuft laut Vorstandschef Ugur Sahin bereits „teilweise rund um die Uhr“. Ab 2021 soll die Massenproduktion in Marburg starten – 250 Millionen Dosen binnen sechs Monaten. Biontech hat dafür den Standort von Novartis übernommen.
Zudem schicken die Impfstoffriesen Sanofi und GlaxoSmithKline ihren gemeinsamen Kandidaten gegen das Virus ins Rennen. Auf dem Produktionsgelände von Sanofi in Frankfurt-Höchst startete bereits ein Test mit einer umgerüsteten Anlage zur Abfüllung, sonst wird hier Insulin produziert. Das Ziel: jährlich mehr als eine Milliarde Dosen herstellen.
Abfüllanlagen liefert beispielsweise Optima aus Schwäbisch Hall
Auch das Unternehmen Curevac rüstet sich für die Produktion von Corona-Impfstoff: Am Stammsitz in Tübingen reichen die Kapazitäten für Hunderte Millionen Einheiten im Jahr. Eine weitere Großanlage, die Milliarden von Impfstoffdosen produzieren könnte, wird von der EU gefördert und ist in Vorbereitung. Und die Anlagentechnik kommt größtenteils aus Deutschland.
Maschinen, die große Erweiterungen einer Impfstoffproduktion erlauben, baut etwa Zahoransky in Todtnau: Hier herrscht Hochbetrieb, auch wegen Großaufträgen aus den USA. Optima aus Schwäbisch Hall liefert ebenso Abfüllanlagen für Impfstoffe. Die Firma schickte bereits Ende August eine Anlage in einem der größten Frachtflugzeuge der Welt, einer Antonov An-124, nach Amerika.
Zwei bis drei Milliarden Impfstofffläschchen werden weltweit benötigt
Spritzen und Impfstofffläschchen: Sie werden in riesigen Mengen benötigt. Deshalb fahren die Firmen, die fürs Impfen die notwendigen kleinen Produkte liefern, ihre Kapazitäten hoch.
Von den sterilen Fläschchen, die bis zu 18 Impfstoff-Dosen enthalten können, werden im Kampf gegen Corona weltweit zwei bis drei Milliarden Stück benötigt. Die Produzenten sind zuversichtlich, das auch zu schaffen. So gaben die drei führenden Unternehmen der Branche, die deutschen Firmen Schott (Mainz) und Gerresheimer (Düsseldorf) sowie Stevanato (Italien) in einer gemeinsamen Erklärung eine Art Liefergarantie ab. Nach ihren Angaben kommt jede Firma auf rund 30 Prozent Marktanteil. „Wir haben erheblich in weitere Kapazitäten investiert“, sagt Schott-Vorstand Frank Heinricht.
Pipetten für die Weiterentwicklung von Impfstoffen
Auch Spritzen für den kleinen Piks sind in extrem hoher Zahl gefragt: Allein für die 450 Millionen Einwohner der EU wird eine Milliarde benötigt. Das hessische Medizintechnikunternehmen B. Braun deckt zusammen mit der US-Firma Becton Dickinson rund 80 Prozent des Weltmarkts ab – China nicht mitgerechnet, das eigene Hersteller hat.
Unter Hochdruck arbeitet auch das Hamburger Unternehmen Eppendorf. Es stellt Pipetten her – Röhrchen, wie wir sie aus dem Chemieunterricht oder zum Einträufeln von Nasentropfen kennen. Labors weltweit brauchen Pipetten in riesigen Stückzahlen, um die Impfstoffforschung weiter voranzubringen. Die Nachfrage nach Pipetten und Pipettenspitzen „explodiere gerade“, heißt es in dem Unternehmen. Ähnlich geht es dem Konkurrenten Sartorius in Göttingen. Der hat wegen Corona zusätzliche Mitarbeiter eingestellt.
Ob Transport, Lagerung oder Verteilung: Die Herausforderungen sind groß
Der Transport, die Lagerung und die Verteilung der teils sehr temperaturempfindlichen Impfstoffe (minus 70 Grad) sind eine immense Herausforderung. Das Würzburger Unternehmen VA-Q-Tec, Spezialist für Kühlboxen, hat bereits einen Millionenauftrag erhalten: „Der Transport wird in unseren Containern und Boxen stattfinden“, so der Vorstandsvorsitzende Joachim Kuhn. Für die Lagerung benötigt man zudem Ultratiefkühlschränke. Die kommen etwa vom schwäbischen Unternehmen Binder. Stückpreis: rund 20.000 Euro.
Airport Frankfurt ist bewährter Umschlagplatz für kühlbedürftige Pharmaprodukte
Der Frankfurter Flughafen läuft sich warm. Er ist schon jetzt Umschlagplatz für Luftfracht von kühlbedürftigen Pharmaprodukten in Europa. „Wir bereiten uns auf Im- und Export gleichermaßen vor“, sagt Fraport-Manager Max Philipp Conrady. „Wir wissen ja noch nicht, was kommt und was wo produziert wird.“ Von der Menge her sei der Corona-Impfstoff aber keine „übergroße Herausforderung“. Insgesamt stehen 13.500 Quadratmeter genau temperierbare Fläche zur Verfügung.
Auch die Deutsche Post DHL sieht sich gut aufgestellt: Die mehr als 180 Standorte rund um den Globus seien auf die Bedürfnisse der Pharma-Industrie zugeschnitten, verkündet das Bonner Unternehmen. Man sei in der Lage, Medikamente bis zu drei Tage lang bei konstant niedriger Temperatur (bis minus 80 Grad) zu lagern und zu transportieren.
Der Logistikkonzern Kühne+Nagel, der seine Deutschland-Zentrale in Bremen hat, ist ebenfalls bei der Verteilung dabei: „Es wird eine Herausforderung sein, aber nichts, wo wir sagen: Das ist unmöglich“, so Konzernchef Detlef Trefzger.