Was haben die Chemie- und die Papier-Industrie gemeinsam? Beide benötigen sehr viel Energie und Wärme für ihre Prozesse. Zudem sind beide wenig flexibel, was das An- und Abfahren ihrer Anlagen angeht. Um effizienter zu werden, Energie einzusparen und das Klima zu schützen, haben sich in Nordrhein-Westfalen deshalb 15 Unternehmen aus den beiden Branchen im Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerk ChePap Rhein Ruhr zusammengeschlossen. Die Initiatoren sind die Verbände Papier NRW und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) NRW. aktiv war bei einem Treffen dabei und hat sich erklären lassen, wie das Netzwerk arbeitet.
Energiemanager treffen sich zum Austausch
Etwa einmal im Quartal treffen sich die Energiemanager der teilnehmenden Unternehmen zum Austausch bei einer Mitgliedsfirma „zu Hause“. Beim aktiv-Besuch war das die Martinswerk GmbH in Bergheim – ein Chemieunternehmen für halogenfreien Flammschutz und spezialisierte Materiallösungen. Hier ist Thomas Thelen Projektingenieur für Energieeffizienzprojekte. Für ihn steht fest, dass ohne eine funktionierende Infrastruktur für Strom- und Wasserstoffnetze die angestrebte Transformation nicht gelingen kann.
Das Leuchtturmprojekt des Martinswerks ist das Erdgaskraftwerk, das seit Dezember 2024 das bestehende Braunkohlekraftwerk ersetzt. Es produziert 100 Prozent des benötigten Dampfes und Stroms im Unternehmen und senkt dadurch die Kohlendioxid-Emissionen um etwa 40 Prozent. Viel Energie wird trotzdem benötigt, denn das Martinswerk braucht in etwa so viel Energie wie 45.000 Haushalte.
„Physikalische Gesetze machen die Verdampfung von Wasser zu einem energieaufwendigen Prozess. Viele industrielle Prozesse benötigen jedoch Energie in Form von Wärme, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern“, sagt Thelen. Er schätzt den Austausch im Netzwerk vor allem wegen der Rückmeldungen aus den Verbänden und „weil man so besser mitbekommt, was in der Politik los ist.“ Und: „Bei unseren Treffen sehe ich, dass die anderen ähnliche Probleme haben.“
Probleme besprechen, Betriebe kennenlernen
Tatsächlich sind die Energiemanager sonst eher Einzelkämpfer in ihren Unternehmen. Bei den Netzwerktreffen können sie sich mit Gleichgesinnten austauschen und Probleme besprechen. Außerdem gehört bei jedem Besuch ein Betriebsrundgang dazu, bei dem der jeweilige Gastgeber oft auch spezielle Maßnahmen zeigt, die an seinen Anlagen umgesetzt worden sind. Beim Thema Energiesparen und Klimaschutz werden aus Wettbewerbern so Sparringspartner, die für ein gemeinsames Ziel kämpfen.
Die Möglichkeit, sich branchenübergreifend in Netzwerken zusammenzuschließen, gibt es in Deutschland schon seit mehr als zehn Jahren. Verbände, Wirtschaftsorganisationen und die Bundesregierung unterstützen die Zusammenarbeit. Am Anfang ging es vor allem darum, Energie zu sparen. Seit 2021 stehen die Themen Klimaschutz, Energiewende und Nachhaltigkeit zusätzlich im Fokus. Nordrhein-Westfalen ist übrigens führend, was die Netzwerkarbeit angeht.
5,5 Prozent der CO2-Emissionen half das Netzwerk 2021 bis 2023 einzusparen
Das ChePap-Netzwerk Rhein-Ruhr gibt es seit 2016. Die Unternehmen arbeiten für jeweils zwei Jahre zusammen, um jeder für sich und gemeinsam Energie einzusparen, sich gegenseitig zu unterstützen und Erfahrungen auszutauschen. Die aktuelle Gruppe ist die vierte Auflage, die Laufzeit endet in diesem Jahr. Nach jeder Laufzeit wird dann zusammengerechnet, was insgesamt eingespart wurde. In der Zeit von 2021 bis 2023 waren das 2,6 Prozent des Energiebedarfs und 5,5 Prozent der CO2-Emissionen. Erreicht wird das zum Beispiel durch Direktverträge mit Solar- oder Windparks, bessere Nutzung von Abwärme und weniger Wasserverbrauch.
Das Netzwerk sieht sich aber auch als Botschafter nach außen. „Für die Papier-Industrie und die chemische Industrie sind die hohen Strompreise das größte Problem. Wir brauchen niedrigere Netzentgelte. Die Industrie muss entlastet werden. Das sind schon lange unsere Botschaften an die Politik“, betonen Martin Drews, Geschäftsführer des Verbands Papier NRW, und Jan Peter Hinterlang, beim VCI NRW zuständig für Infrastruktur, Energie- und Klimapolitik.
Egal ob Papier oder Chemie: Die Herausforderungen und Fragen beim Klimaschutz sind für die Unternehmen die gleichen. Trotzdem braucht es natürlich eine individuelle Umsetzung. Den Netzwerkmitgliedern hilft dabei der Energieberater Steffen Roß.

Tanja Wessendorf berichtet für aktiv aus der Industrie und schreibt über Verbraucherthemen. Sie studierte in Berlin Politikwissenschaft und volontierte in Hamburg bei der Tageszeitung „Harburger Anzeigen und Nachrichten“. Seit 2008 arbeitet sie als Redakteurin, viele Jahre in der Ratgeber-Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, aber auch beim TV-Sender Phoenix. Privat liebt sie alles, was schnell ist: Kickboxen, Eishockey und laufen mit ihrem Hund.
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