Türkis, Blau, Gelb. Und wieder: Türkis, Blau, Gelb. Diese Farbkombination wird Carolina Babalau in ihrer Schicht bei Kornbusch & Starting in Borken noch einige Hundert Mal sehen. „Ist doch gar nicht schlecht, das bringt Abwechslung in die Arbeit“, sagt die 47-jährige Maschinenführerin beim aktiv-Besuch augenzwinkernd – und stülpt einen Deckel über einen fertigen Karton. Inhalt: neun Gebinde mit je drei Reinigungstüchern aus Thermovlies.

Diese bunten, flauschigen Allzwecktücher aus Viskose und einem geringen Anteil Polypropylen sind das Hauptprodukt des Betriebs aus dem West-Münsterland, der gut 500 Menschen beschäftigt. „Als klassischer Spezialist für Handelsmarken sind wir mit unseren Reinigungsprodukten in den Regalen von Drogerien, Discountern und Supermärkten vertreten“, so Frank Bierbaum, Geschäftsführer des Familienunternehmens (das zur Bierbaum-Gruppe gehört). 

Der Mittelständler macht im Bereich Cleaning, zu dem Kornbusch & Starting als größte Gesellschaft gehört, einen Jahresumsatz von rund 80 Millionen Euro – mit den verschiedenen Tüchern und einem Schwammsortiment. Letzteres haben die Borkener gerade durch die Übernahme eines Produktionsstandorts im hessischen Waldmichelbach erweitert.

„Als klassischer Spezialist für Handelsmarken sind wir mit unseren Reinigungsprodukten in den Regalen von Drogerien, Discountern und Supermärkten vertreten“ 

Dr. Frank Bierbaum, Geschäftsführer

Aber wie entsteht so ein Reinigungstuch? Das Material dafür liegt tonnenweise im Rohwarenlager, gepresst und vorgefärbt: Viskose, Grundstoff: Holz. „Daraus fertigen wir hier ein Thermovlies“, sagt Bierbaum, „in bis zu acht Produktlinien, je nach Farbe oder Eigenschaft.“ Daran sind viele Menschen beteiligt, etwa Stephan Kolodziej und Boguslaw Chrusch an der Vliesanlage – sie ist das Herzstück der Fertigung. Kolodziej kontrolliert gerade am Monitor die Positionen der Walzen von Krempel und Tambour: „Sie sorgen dafür, dass aus dem Fasergemisch ein weicher Flor entsteht“, zeigt der Maschinenführer. Mehrmals übereinandergelegt, wird dieser Flor dann von schnell schwingenden Nadelbrettern bearbeitet. Dabei verschlingen sich die Fasern weiter. So entsteht ein verfestigtes Vlies, das zuletzt erhitzt wird: ein Thermovlies.

„Die Nadelbretter sind dabei das A und O“, sagt Chrusch. Und sie sind immensen Kräften ausgesetzt. Die Nadeln verschleißen schnell und brechen ab, im Schnitt müssen sie fast jede zweite Schicht ausgetauscht oder repariert werden. „Das mache ich mit einem Blatt Papier“: Vor dem weißen Hintergrund kann er unter Hunderten von Nadeln die abgebrochenen Kandidaten erkennen. „Die ersetze ich, das ist echte Handarbeit.“

Tücher binden ein Vielfaches ihres Gewichts an Wasser

Was aber macht dieses Vlies zu einem idealen Reinigungstuch? „Unsere Thermovliestücher können ein Vielfaches ihres eigenen Gewichts an Wasser aufnehmen und so auch den Schmutz gut binden“ erklärt Bierbaum. Neuerdings fertigt der Betrieb unter dem Slogan „Just Viscose“ auch Tücher ohne Polypropylen, sie sind mit einer probiotischen Schicht ausgerüstet, um Gerüche zu vermeiden. Die Vliestücher sind waschbar bei bis zu 95 Grad und so mehrfach verwendbar: „Das macht unsere Produkte nachhaltig und umweltfreundlich.“

Eigenschaften, die besonders für den deutschen Markt wichtig sind, auf dem das Unternehmen 70 Prozent seines Absatzes tätigt. „Die Deutschen sind sehr reinlich, aber auch sehr kritische Kunden, was etwa Beschichtungen angeht“, weiß der Chef. Es gebe auch durchaus Unterschiede im Putzverhalten: „In Deutschland und Zentraleuropa setzt man auf Tücher für Oberflächen und Böden. Südeuropäer hingegen wischen lieber mit einem Mop, weil es dort viele Steinböden gibt.“ In Großbritannien wiederum herrschen Teppiche vor, da wird also eher gesaugt.

Der Mittelständler sucht Zugang zum US-Markt

Die USA, in denen der Mittelständler erst noch Fuß fassen möchte, sind eine besondere Herausforderung: „Dort wird meistens mit Papier geputzt – einmal ‚wisch und weg‘ und ab in den Abfall“, sagt Bierbaum. Nachhaltig sei das nicht, das Thermovlies sei da eine echte Alternative.

Das Reinigungstuch aus Borken kommt nicht nur unifarben daher: Immer beliebter ist das Putzen mit Motiv-Tüchern, dafür steht in der Veredelung eine Druckstraße. Auf ihr werden an diesem Tag gerade 10.000 Meter Bodentücher mit einem Palmenmotiv bedruckt. „Eigentlich ist so was für ein gutes Reinigungstuch gar nicht notwendig“, sagt Bierbaum. Aber: Im Verkaufsregal mache sich das eben gut.

Wobei unterschiedliche Farben durchaus ihren Sinn haben – im Farbcode des Reinigungshandwerks! Jeder Zweck hat dort seine eigene Tuchfarbe, um eklige Verwechslungen zu vermeiden. 

Der Profi-Farbcode

  • Rote Tücher dienen zur Toilettenreinigung. Im restlichen Sanitärbereich wird gelb gesäubert.
  • Grüne Tücher findet man in der Küchenhygiene.
  • Möbel und Oberflächen in anderen Räumen werden mit blauen Tüchern gewischt.
Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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