Wiesbaden. Deutsche Unternehmen investieren wieder, und zwar deutlich mehr, als für den Erhalt der Betriebe nötig ist. Sie erhöhen sogar ihre Schulden, um zu erweitern, neue Software und Maschinen anzuschaffen oder Produktionsgebäude zu errichten.

Ein Wert, der genau diese Ausgaben beschreibt, sind die sogenannten Nettoinvestitionen, und die sind laut dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) in Berlin kräftig gestiegen – auf zuletzt über 4 Prozent.

Gleichzeitig sank die Eigenkapitalquote, ein Maß für die Rücklagen, die jahrelang nur anstieg, leicht auf 39,1 Prozent. Im Gegenzug kletterten die Bankverbindlichkeiten auf 26,9 Prozent, nachdem sie seit 2003 kontinuierlich gesunken waren.

Um zu investieren, brauchen die hessischen Unternehmen hilfreiche Bankenpartner und eine erfolgreiche Börse in ihrer Nähe. Durch den Finanzplatz Deutschland und mit den Bankenpartnern und der Deutschen Börse in Hessen können sie hierbei jederzeit auf starke Unterstützung vor Ort zurückgreifen.

Diese Erfolgsverbindung aus wertschöpfenden Unternehmen, Geldgebern und Finanzplatz war das Thema beim 27. Hessischen Unternehmertag am 30. Oktober in Wiesbaden. Mehr als 1.000 Gäste hörten im Kurhaus Wiesbaden die Impulsvorträge des Börsen-Chefs Theodor Weimer und des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier.

Digitale Transformation wird vorangetrieben

Wie Wolf Matthias Mang, Präsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), betonte, investieren die Unternehmen vorrangig in die digitale Transformation. So will man die Effizienz der Massenproduktion mit der Qualität der Einzelfertigung verbinden und eine Industrie der Maßanfertigung an die Stelle der Massenindustrie setzen.

Auch Handel, Handwerk und der Dienstleistungssektor werden sich laut Mang immer mehr zum Anbieter von Maßanfertigungen entwickeln. „Möglich macht das ein viel präziseres Wissen über die individuellen Kundenbedürfnisse“, betonte der Unternehmer.

Er verdeutlichte dies an der Revolution in der Schuh-Industrie. Früher wegen der günstigen Herstellerpreise an Produktionsstandorte in Asien verlagert, werden Schuhe heute wieder in Hochlohnländern wie Deutschland hergestellt. Moderne sogenannte Speedfactories ermöglichen die Maßanfertigung im industriellen Maßstab. Aber das funktioniert nur, wenn zuvor entsprechend investiert wurde.

Ministerpräsident Bouffier lobt Finanzplatz Frankfurt

Mang: „Wir hessischen Unternehmer haben das Glück, nahe am Finanzplatz Frankfurt zu sein. Banken- und Finanzpartner helfen uns, die gigantischen Herausforderungen des digitalen Strukturwandels zu bewältigen – bei künstlicher Intelligenz, Industrie 4.0 oder autonomem Fahren.“

Laut Ministerpräsident Volker Bouffier ist der Finanzplatz für Hessen weit mehr als ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: „Mehr als 62.000 Menschen sind hier beschäftigt. Sie arbeiten bei 199 Banken – darunter etwa 160 internationale Institute – und der Börse, beides wichtige Partner für die hessischen Unternehmen. Und dieses einzigartige Netzwerk wird durch erstklassige Forschungseinrichtungen ergänzt.“

Zudem sind in Frankfurt die wichtigsten Behörden der Europäischen Finanzmarktaufsicht an einem Ort vereint: die Europäische Zentralbank sowie die nationalen Aufseher Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) und Bundesbank. Eine lebhafte Start-up-Szene rundet das über viele Jahre gewachsene System der Branche ab.

Der Ministerpräsident: „Der Finanzplatz Frankfurt ist für die Herausforderungen der Zukunft bestens gewappnet, wird vom Brexit profitieren und bietet als der führende Finanzplatz Kontinentaleuropas optimale Rahmenbedingungen, ein starkes Netzwerk und kurze Wege.“

Für Bouffier steht fest: „Die hessischen Unternehmerinnen und Unternehmer finden ein Umfeld vor, in dem sich ihre Firmen bestens entwickeln können – sie sind der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung, nicht nur im Rhein-Main-Gebiet, sondern in ganz Hessen.“

Für den Erfolg braucht es laut Theodor Weimer ein Gewinner-Gen und mehr historisches Verständnis, das der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Börse AG jedoch zunehmend vermisst.

Börsen-Vorstand Theodor Weimer über das Gewinner-Gen

„Ich orte in Deutschland eine gewisse ‚Altersmilde‘, eine überall erkennbare Nachsicht mit allem … Aber tief in unserem Innern beschleicht uns das Gefühl, dass es gefährlich sein könnte, wenn uns die Aggressivität des Gewinners abgeht“, so Weimer.

Zu viele wollten nicht mehr der Erste sein. Nicht zu verlieren, reiche zu vielen. „Das Gewinner-Gen kommt uns abhanden“, befürchtet Weimer und forderte mehr historisches Verständnis: „Um die gewaltigen Veränderungen und geopolitischen Verschiebungen zu bewältigen, dürfen wir nicht mehr nur ökonomisch denken, sondern wir müssen in unsere Vorstands- und Geschäftsführungssitzungen die gesellschaftspolitische Dimension einbringen.“