Herrnhut. Pakete ohne Ende. Bis unter die Decke stapeln sie sich in den haushohen Regalen. Gabelstapler sausen zwischen dem Lager und der benachbarten Poststelle hin und her. Hochsaison beim Unternehmen Herrnhuter Sterne im gleichnamigen Ort in der Oberlausitz.
Der weltberühmte Herrnhuter Weihnachtsstern: Hier wird er in Handarbeit gefertigt. Jahr für Jahr verlassen rund 600.000 Stück das 120 Jahre alte Unternehmen mit 85 Mitarbeitern.
Die Kunden brauchen eine gute Beratung
Seit 1925 ist die Bauweise des Sterns patentiert. 25 Zacken, meist einfarbig, aus Kunststoff oder Papier. Die werden geschnitten, gefalzt und geklebt. Ein Großteil geht als Bausatz in Versand und Handel. Die Herrnhuter sind bundesweit auf 40 Weihnachtsmärkten vertreten, in dieser Zeit einer der wichtigsten Verkaufskanäle.
„Viele Kunden brauchen Beratung, damit sie den Stern vollenden können“, sagt Jacqueline Schröpel, die für das Marketing zuständig ist. „Deshalb sind wir fast überall mit eigenen Mitarbeitern vertreten. Neben etwas Geschick braucht man vor allem Geduld.“
Das Geschäftsmodell bietet viele Expansionsmöglichkeiten. 85 Millionen Menschen besuchen pro Jahr 1.500 Märkte. „Diese werden als touristische Ziele beliebter“, sagt Frank Hakelberg vom Deutschen Schaustellerbund in Berlin. Die Erlöse liegen bei 1 Milliarde Euro pro Jahr – Tendenz steigend. Davon profitiert auch der stationäre Einzelhandel. „Weihnachtsmärkte schaffen die Atmosphäre, die zur Kauflaune beiträgt“, so Stefan Hertel vom Handelsverband Deutschland.
Und der deutsche Weihnachtsmarkt mit allem, was dazugehört – Nussknackern, Glühwein und Holzhandwerk aus dem Erzgebirge – ist ein Exportschlager. In den USA etwa, den Niederlanden oder in Italien eröffnen Weihnachtsmärkte nach deutschem Vorbild. So wirbt zum Beispiel der Christkindlmarket Chicago mit „german tradition“. Und der „German-themed Christmas Market“ im japanischen Osaka gilt als eines der größten Winter-Events.
International unterwegs sind inzwischen auch die Herrnhuter. „Knapp 10 Prozent der Produktion gehen ins Ausland“, sagt Marketing-Chefin Schröpel, „ob nach Russland, Australien oder nach Südafrika.“
Das funktioniert über den Online-Handel, aber auch spezialisierte Händler in aller Welt. 1.600 gibt es davon in Deutschland. Die Nachfrage steigt überall. Anfang des neuen Jahres nimmt das Unternehmen deshalb eine weitere 900 Quadratmeter große Produktions- und Lagerhalle in Betrieb. Dafür wurden 1,7 Millionen Euro investiert.
„Wir wachsen, aber wir wachsen langsam“, erklärt Schröpel die Strategie. Der Grund dafür heißt Qualitätssicherung. Denn trotz aller Modernisierung bleibt es bei der Herstellung per Hand. Und bis ein neuer Mitarbeiter einen Stern fehlerfrei produzieren kann, vergeht viel Zeit. „Es hat bestimmt ein Jahr gedauert, bis ich die Sterne so millimetergenau herstellen konnte“, sagt Jana Barth, die gerade das kleinste Modell zusammenklebt: Ein Stern aus Papier, Durchmesser 13 Zentimeter, Einzelpreis 19 Euro. Heute fertigt sie das Meisterwerk mit Fingerspitzengefühl, Pinsel, Leim und Pinzette. Das stellen sich dann Privatkunden auf die Fensterbank.
Mit anderen Modellen wird das eher schwierig. Wenn etwa die Betreiber des Dresdner Striezelmarkts ein Riesenexemplar mit 2,50 Meter Durchmesser bestellen, müssen mehrere Handwerker beim Anbringen helfen.
Übrigens: Der Stern beleuchtet nicht nur den Striezelmarkt. Er hängt auch in der Sankt Petersburger Innenstadt, in der Liverpooler Kathedrale und im Bundeskanzleramt.