25 Jahre und zahlreiche Verhandlungsrunden hat es gedauert. Doch nun ist ein Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur-Staaten (siehe unten) in greifbarer Nähe. Nach der Unterschrift Ursula von der Leyens, der Präsidentin der EU-Kommission, fehlt nun nur noch die Zustimmung des EU-Parlaments und der Mehrheit der EU-Staaten.
Bereits heute ist die EU – hinter China, aber noch vor den USA – der zweitwichtigste Handelspartner für die Mercosur-Staaten. Allein Deutschland handelte 2023 Waren im Wert von mehr als 25 Milliarden Euro mit ihnen. Und der Austausch soll nun weiter ausgebaut werden – zum Vorteil auf beiden Seiten des Atlantiks. Unternehmen verschafft der freie Handel von Waren und Dienstleistungen einen größeren Absatzmarkt, Verbrauchern günstigere Preise. Das sorgt für mehr Wohlstand.
Verbesserung für Maschinenbauer, Autohersteller und Chemie-Industrie
Bislang verhindern noch zahlreiche Handelshemmnisse eine engere Verzahnung der beiden Wirtschaftsräume. Europäische Unternehmen sehen sich unter anderem mit zum Teil hohen Einfuhrzöllen und aufwendigen Zollverfahren konfrontiert, unter denen kleine und mittlere Unternehmen besonders stark leiden. Hinzu kommen technische Vorschriften und Standards, die von internationalen Vorgaben abweichen und damit den Handel erschweren. Mit all dem soll nun weitgehend Schluss sein.

Insbesondere die Metall- und Elektro-Industrie mit ihrem exportorientierten Automobil- und Maschinenbau sowie die chemische Industrie dürften von der Marktöffnung profitieren, erwarten Experten. Das sind Branchen, die gerade in Bayern eine große Bedeutung haben. „Das EU-Mercosur-Abkommen schafft sowohl für Automobilhersteller als auch Automobilzulieferer große Chancen“, sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie. So sollen die Zölle von 35 Prozent auf Pkws und 14 bis 18 Prozent auf Autoteile entfallen – ebenso wie die auf andere Güter wie Maschinen (14 bis 20 Prozent), Chemikalien (bis zu 18 Prozent), Arzneimittel (bis zu 14 Prozent) oder Wein (27 Prozent).
Europa öffnet seinen Agrarmarkt und bekommt Zugang zu Rohstoffen
Im Gegenzug öffnet die EU ihren Markt für die Agrarprodukte der Mercosur-Staaten. Für einige Erzeugnisse, die der europäischen Landwirtschaft Konkurrenz machen könnten, etwa Fleisch, Zucker, Ethanol und Honig, wird der Zugang beschränkt. Bei Rindfleisch etwa dürfen nach einer Übergangszeit 99.000 Tonnen mit ermäßigtem Zollsatz eingeführt werden. Bei Zucker sind in Zukunft 190.000 Tonnen zollfrei. Neben den Agrarprodukten dürften auch vermehrt Rohstoffe aus Südamerika exportiert werden. Dabei geht es neben Erzen auch um Rohstoffe wie Lithium, Kupfer, Nickel und Silizium – wichtig für die Transformation der Wirtschaft.
Das geplante Freihandelsabkommen soll die beiden Wirtschaftsräume enger zusammenbringen – nicht nur beim Güterverkehr. So wird es für europäische Firmen einfacher, sich gleichberechtigt mit im Mercosur ansässigen Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen. Südamerikanische Firmen können sich dafür in Zukunft besser in die innovativen Wertschöpfungsketten der EU integrieren. Die Menschen im Mercosur erhalten zudem mehr Möglichkeiten, ihre Leistungen in der EU anzubieten – etwa auf Werkvertragsbasis oder als Freiberufler.
Mercosur und die Mitgliedsstaaten
Mercosur
- 1991 wurde der südamerikanische Binnenmarkt von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay gegründet.
- 2012 trat Venezuela dem Mercosur bei, wurde aber 2016 suspendiert.
2024 wurde Bolivien neues Mitglied, das EU-Abkommen gilt fürs Land noch nicht.
Brasilien
- Bevölkerung: 216,4 Millionen.
- Fläche: 8.358.000 km².
- BIP: 2.174 Milliarden US-Dollar.
- Größe und Bevölkerungszahl machen das Land zum mit Abstand wichtigsten und einflussreichsten Staat in Südamerika.
- Politisch erwies sich das Land in den vergangenen Jahren immer wieder als instabil. Die Gesellschaft gilt als stark polarisiert.
Der Industriesektor spielt im Land eine große Rolle, jeder fünfte Beschäftigte arbeitet in der Industrie. Das Bildungsniveau ist vergleichsweise hoch.
Argentinien
- Bevölkerung: 46,7 Millionen.
- Fläche: 2.737.000 km².
- BIP: 655 Milliarden US-Dollar.
- Schwere wirtschaftliche Krisen haben das Land in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt erschüttert, der Staat wurde mehrfach zahlungsunfähig.
- Eine hohe Abwanderung gut ausgebildeter Arbeitskräfte hat den Fachkräftemangel in den vergangenen Jahren verschärft.
Javier Milei verfolgt als Präsident eine radikale libertäre Reformpolitik. Die Währung wurde abgewertet, Renten wurden gekürzt und Subventionen gestrichen.
Uruguay
- Bevölkerung: 3,4 Millionen.
- Fläche: 175.000 km².
- BIP: 77 Milliarden US-Dollar.
- Die Stabilität in der demokratischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung haben das Land zu einem Vorreiter in der Region werden lassen.
- Das Sozialsystem beinhaltet weitreichende Arbeitnehmerrechte und wurde nach europäischem Vorbild errichtet.
Die Hauptstadt Montevideo ist das politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes. Hier lebt fast die Hälfte der gesamten Bevölkerung.
Paraguay
- Bevölkerung: 6,9 Millionen.
- Fläche: 397.000 km².
- BIP: 44 Milliarden US-Dollar.
- Agrarprodukte und die Produktivität des landwirtschaftlichen Sektors bestimmen nach wie vor die ökonomische Entwicklung des Landes.
- Die wirtschaftliche Situation ist auch nach Jahren des Aufschwungs immer noch schwierig. Das Land gehört schon seit vielen Jahren zu den ärmsten in Südamerika.
- Die Korruption ist wie in vielen anderen Staaten Südamerikas stark ausgeprägt.

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.
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