In der Oberpfalz steht Europas größtes Recycling-Werk für Altreifen
Weiden. Ein gewaltiges Rütteln erschüttert die 25 Tonnen schwere Riesenmaschine im Sekundentakt. Und ein ohrenbetäubendes Dröhnen dringt aus ihrem Inneren. Ein Rotor mit 39 Messern leistet dort Schwerstarbeit: Er zerreißt alte Autoreifen in ein bis zwei Zentimeter große Stücke.
Ein echter Kraftakt – aber nur der erste Arbeitsschritt von vielen im größten Reifenrecyclingwerk Europas, das der Dienstleister Auto Teile Unger (A.T.U.) im oberpfälzischen Weiden betreibt.
„Vulkanisierte Gummimasse lässt sich nur mit viel Wucht zerkleinern“, schildert Josef Hösl, Leiter für Recycling- und Abfallwirtschaft im Unternehmen. „Man muss sie regelrecht zerfetzen.“
Am Schluss des mehrstufigen Prozesses bleiben nur schwarze Brösel übrig, pro Körnchen nicht größer als vier Millimeter, fein gesiebt und gereinigt.
Wiederverwertung liegt im Trend
Kaum einer macht sich Gedanken darüber, was mit seinen alten Autoreifen geschieht, wenn er sie nach mehreren Wintern oder Sommern gegen neue tauscht. Die Pneus auf der Deponie abzuladen, ist seit 2006 gesetzlich verboten. Viele werden verbrannt – so in Zementwerken, die enorme Mengen Heizenergie brauchen.
Ins Weidener Recyclingwerk kommen aus ganz Europa täglich bis zu 30 Lastwagen , jeder mit gut 14 Tonnen Reifen im Gepäck. Das sorgt für konstanten Nachschub, den die Maschinen zur Auslastung brauchen.
Material von Fremdfirmen landet sofort im Schredder. Reifen von A.T.U.-Filialen werden im Zwei-Schicht-Betrieb von 5 Uhr morgens bis 22 Uhr abends vor der Weiterverwendung auf Schäden überprüft.
Mitarbeiter Fazli Zogaj markiert Löcher oder Risse mit einem Farbstift, hängt sie dann zum Weitertransport an die Haken eines Förderbands. „Man braucht schon Übung und muss wissen, wo man hinsehen muss, um auch kleine Schäden zu entdecken“, erzählt er. In einer speziellen Fortbildung hat er das gelernt.
Jeder Reifen wird genau geprüft
Vor der nächsten Arbeitsstation sortiert ein Scanner die „schlechten“ Reifen automatisch aus. Sie landen umgehend im Schredder.
Die „guten“ Altreifen untersucht dann Mitarbeiter Georg Sterbling nochmals genau. „Ich nehme jeden einzelnen Mantel unter die Lupe. Das macht zwischen 400 und 500 Reifen pro Schicht“, erzählt er. Was noch brauchbar ist – rund 30 Prozent der Anlieferungen – wandert ins Großlager zu den anderen gut 300.000 Reifen. Runderneuert kommen sie wieder zum Einsatz.
Besucher im Recyclingwerk müssen sich an den Geruch alten Gummis erst gewöhnen: Ein bisschen nach Garage mit Duftnoten von Altöl, süßlichem Gummi und Staub. „Ja, der Geruch hier in den Lagerhallen ist speziell“, bestätigt die stellvertretende Betriebsleiterin Joana Hoffmann. „Inzwischen mag ich das gerne.“ Auch ihren Job findet die 27-Jährige spannend: „Ich bin begeistert, was man aus Müll’ alles machen kann.“
Maschinen sind voll ausgebucht
Die vielseitige Anwendung des Granulats spricht sich in Fachkreisen langsam herum. Also steigt die Nachfrage. Und damit der Umsatz: Um 30 Prozent pro Jahr wuchs er allein in den letzten drei Jahren.
„Für uns ist das Granulat wie schwarzes Gold“, so Werkleiter Hösl. „Könnte ich 5.000 Tonnen zusätzlich verkaufen, sie wären innerhalb einer Stunde weg.“ Doch die Auftragsbücher sind auf Monate hinaus voll.
Weil das Geschäft gut läuft, ist eine sechste Granulier-Linie bereits in Planung. Sie soll im Januar starten.
Geld verdienen mit Recycling
Die Wiederverwertung von Reifen betreibt der Auto-Dienstleister A.T.U. seit dem Jahr 2000 im großen Stil – weil Recycling Kosten spart und inzwischen sogar Geld in die Kasse bringt.
Zunächst ging es dem Unternehmen vor allem darum, Altreifen aus den eigenen Filialen umweltfreundlich zu entsorgen. Heute wird auch im Auftrag anderer Firmen gearbeitet.
So hat A.T.U., eher bekannt durch seine Autowerkstätten, neben dem Reparaturgeschäft das Reifenrecycling als zusätzliches Firmen-Standbein aufgebaut.
Neue Produkte aus alten Reifen
Aus den jährlich rund 15 Millionen Tonnen aussortierten Reifen wird im Recyclingzentrum Weiden Gummi-Granulat hergestellt. Daraus entstehen elastische Bodenbeläge für Sportanlagen – etwa der Trainingsplatz des 1. FC Köln– oder für Spielplätze und Kunstrasen.
Das Granulat dient auch als Dämm-Material für Schallschutzmauern an Autobahnen, für Straßenbahnkreuzungen und andere Zwecke. Und selbst im Stall ruht manche Kuh in ihrer Liegebox mittlerweile bequem auf Gummi-Matratzen. So sorgen fachgerecht weiterverarbeitete alte Reifen sogar für gute Milch!