Berlin. So überfüllt wie in diesem Winter waren die Wartezimmer lange nicht mehr. Millionen strömten mit Grippe oder grippalem Infekt in die Arztpraxen. 59.000 Patienten mussten in die Klinik. In der schlimmsten Grippewelle der vergangenen zehn Jahre waren auch 1.600 Tote zu beklagen.
In nüchternen Zahlen beschreibt Torsten Schmidt die Auswirkungen: „Wir schätzen, dass die Grippewelle die Wirtschaft deutlich über 2,2 Milliarden Euro gekostet hat“, so der Wirtschaftsforscher am RWI-Leibniz-Institut in Essen.
Bei Krankenständen von in der Spitze 7 Prozent im Monat fehlten hochgerechnet auf die 32,5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Schnitt durchgehend 2 Millionen Mitarbeiter in Fabriken, Werkstätten und Büros. Im Februar sank die Industrieproduktion um 1,7 Prozent, im ersten Vierteljahr stagnierte sie. Dazu trugen allerdings auch Streiks und ein Feiertag bei.
Die mit Abstand teuerste Sozialleistung der Arbeitgeber
Die Grippewelle hat aber noch eine andere Seite: Spitzen-Krankenstände wie im Februar und März treiben die Kosten der Arbeitgeber durch die Entgelt-Fortzahlung hoch: Denn in den ersten sechs Wochen einer Krankschreibung erhält ja jeder Arbeitnehmer weiter den vollen Lohn.
Diese Entgelt-Fortzahlung ist die mit Abstand teuerste allein von den Arbeitgebern finanzierte Sozialleistung. Und sie steigt seit Jahren. Im Jahr 2016 summierte sie sich auf 50,4 Milliarden Euro, wie der Arbeitgeber-Dachverband BDA in Berlin berichtet. Und womöglich gibt ihr dieses Jahr die Grippewelle Schub.
GroKo will zur paritätischen Finanzierung zurück
Weil die Unternehmen diese Riesensumme allein tragen, lehnen sie den Plan der Großen Koalition ab, zur sogenannten paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung zurückzukehren.

Aktuell zahlen Betrieb und Beschäftigter jeweils 7,3 Prozent allgemeinen Versicherungsbeitrag. Jeder Arbeitnehmer entrichtet zudem einen kassenspezifischen Zusatzbeitrag von derzeit im Schnitt 1 Prozent. Diesen Zusatzbeitrag, plant die GroKo, sollen ab 2019 Unternehmen und Mitarbeiter je zur Hälfte tragen. Für Arbeitnehmer würde die Krankenversicherung also billiger. Und Arbeitgeber zahlen drauf.
Doch das tun sie schon jetzt, so die BDA: „Würde man die Entgelt-Fortzahlung auf den Beitragssatz der Arbeitgeber zur Krankenversicherung umlegen, fiele der schon jetzt um 5 Prozent höher aus. Er läge dann insgesamt bei 12,3 Prozent vom Bruttolohn – verglichen mit einem Gesamtbeitragssatz für die Arbeitnehmer von 8,3 Prozent einschließlich Zusatzbeitrag. Durch den Plan der GroKo wird die Last im Gesundheitssystem noch stärker auf die Arbeitgeber verschoben!“
Höhere Kosten gefährden am Ende Arbeitsplätze
Aufs Jahr gerechnet müssen sie weitere 5 Milliarden Euro für die Finanzierung der Krankenversicherung schultern.
„Für die Wettbewerbsfähigkeit der Jobs ist das kontraproduktiv“, warnt die BDA. Studien der Beratungsfirma Prognos und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) belegen das. Laut IW würde die Arbeitslosenquote durch die paritätische Finanzierung binnen zehn Jahren um 0,8 Prozentpunkte steigen. Da wären viele Jobs gefährdet.