Berlin. Neue Bahntrassen, Autobahnen und Häfen für Asien, Arabien, Afrika – Chinas riesige Pläne für die Handelsrouten einer „neuen Seidenstraße“ beeindrucken die Welt. Eine knapp dreistellige Milliardensumme will die Volksrepublik dafür in 70 Staaten investieren, in manchen Berichten ist sogar von 900 Milliarden Dollar die Rede. 600 Projekte sind vorgesehen, eine Reihe schon fertig.

Offiziell heißt das Mega-Programm „Belt-and-Road“-Initiative (englisch für „Gürtel und Straße“). Peking will damit seine Wirtschaft ankurbeln, die Exporte stärken, Nachbarländern Anschub geben und dort Einfluss gewinnen. Das Riesenreich demonstriert seinen Machtanspruch. Die Blaupause für eine neue Welthandelsordnung stößt jedoch bei Politikern und Ökonomen in Europa auf zwiespältige Gefühle.

Name erinnert an Handelswege mittelalterlicher Karawanen

Denn in der Industrie wächst derzeit die Skepsis gegenüber China. „40 Jahre haben wir gehofft, dass Handel und Investitionen das chinesische Wirtschaftssystem wandeln werden“, erklärt China-Kenner Professor Markus Taube von der Uni Duisburg-Essen diese Entwicklung. „Heute ist klar: China geht nicht von der staatlich gelenkten Wirtschaft ab. Die ist mit unserer Marktwirtschaft nicht kompatibel.“ Deutsche Firmen bräuchten weiter Schutz vor „unfairen Praktiken“ der Volksrepublik wie etwa Dumpingpreisen. Erst vor Kurzem hat der Industriedachverband BDI dazu einen 54-Punkte-Plan vorgelegt.

Die neue Seidenstraße, die an die Handelswege mittelalterlicher Karawanen nach China erinnert, wird diesen Wettbewerb verschärfen. Bereits jetzt erzielt China etwa im Handel mit Deutschland Überschüsse. So exportierte die Volksrepublik von Januar bis November 2018 Güter für 98 Milliarden Euro, importierte aber nur Produkte für 86 Milliarden Euro.

30 Containerzüge pro Woche zwischen China und Duisburg

Jetzt beschleunigt sie den Export. Schon brummen Containerschiffe auf kürzester Strecke durch Rotes Meer und Suezkanal zu Häfen wie Piräus und Triest. Und Züge aus China rollen über Kasachstan und Russland in 12 bis 13 Tagen nach Duisburg – in einem Drittel der Zeit, die Schiffe brauchen – und sind dann mitten in Europa. 30 Züge pendeln aktuell pro Woche. Duisburg brachte das neue Jobs.

Chinas Pläne gehen aber über den Handel mit Europa hinaus. Die Volksrepublik will ihre westlichen Provinzen pushen, etwa über direkte Verkehrswege durch andere Staaten zum Meer.

Die meisten Aufträge gehen an chinesische Unternehmen

Und sie will die Wirtschaft von Nachbarländern wie Kasachstan, Kirgisistan oder Pakistan anschieben, indem chinesische Firmen dort Industriegebiete hochziehen. „Das soll Chancen auf bescheidenen Wohlstand schaffen und diese Staaten stabilisieren“, berichtet Professor Taube. In Pakistan etwa entstehen neben Straßen und Eisenbahnen auch Kraftwerke und Sonderwirtschaftszonen.

Aber das geschehe unter chinesischen Vorzeichen, warnt Thomas Eder, Experte beim Mercator Institute for China Studies in Berlin. „90 Prozent der Aufträge gehen an Unternehmen der Volksrepublik. Sie sollen im Ausland investieren, Marktanteile gewinnen und so zu Global Champions werden.“ China profitiere mehr als seine Partnerländer – „und das ist durchaus Absicht“.

Härtere Konkurrenz für die deutsche Industrie

Manche Projekte werden durch die 2014 gegründete Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) nach westlichen Standards finanziert. Vor anderen Vorhaben hat der Internationale Währungsfonds gewarnt: dass sich schwächere Länder durch zu hohe chinesische Kredite übernehmen und diese nicht mehr zurückzahlen könnten. Im Süden des Inselstaats Sri Lanka etwa hat China den neuen Tiefseehafen Hambantota gebaut, der sich als unwirtschaftlich erwies. Gegen einen partiellen Schuldenerlass verpachtete Sri Lanka ihn für 99 Jahre an China.

Die Seidenstraße ist also nicht ohne Risiken. Dennoch können deutsche Unternehmen von ihr profitieren. Wie die Deutsche Bahn, der Paketdienstleister DHL oder Siemens. Die Münchner liefern zum Beispiel Turbinen für Kraftwerke. Für das nächste Jahrzehnt prognostiziert Eder aber: „Unsere Firmen müssen sich auf härtere, durch die Seidenstraße gestärkte Konkurrenz aus China einstellen.“