Ense/Aachen. Kaum hatte Markus Wolf seine Bewerbung online gestellt, da wollten ihn schon drei Unternehmen haben. Statt weiter Maschinenbau zu studieren, erlernt er nun den Beruf des Verfahrensmechanikers – und zwar bei F. W. Brökelmann Aluminium in Ense am nördlichen Rand des Sauerlands. „Das Studium war mir zu theoretisch“, erzählt Wolf. Nach anderthalb Jahren schmiss er hin und suchte einen Ausbildungsplatz.
Beim Spurwechsel half ihm ein gleichnamiges Projekt der Industrie- und Handelskammer Arnsberg, der Handwerkskammer Südwestfalen und der Arbeitsagentur Meschede-Soest.
„Spurwechsel“ hat schon fast 200 Aussteigern bei einem neuen Start geholfen. Und der Wirtschaft kommen solche Bewerber gelegen; sie entdeckt die Studienabbrecher.
Zahlreiche Initiativen vermitteln diese in eine duale Ausbildung. Im Programm „Jobstarter plus“ gibt es bis einschließlich 2018 für die Beratung und Vermittlung insgesamt 7,2 Millionen Euro vom Bundesbildungsministerium und dem Europäischen Sozialfonds. Arbeitgeberverbände und Kammern finanzieren weitere lokale Projekte.
Hintergrund: Schon über die Hälfte eines Jahrgangs geht in Deutschland an die Hochschulen, doch 28 Prozent der Studierenden schaffen keinen Abschluss oder brechen ihr Studium ab. Gleichzeitig bleiben immer mehr Lehrstellen frei. 2016 waren es fast 43.500, knapp 5 Prozent mehr als im Vorjahr.
In der westfälischen Fabrik hat Wolf den Praxisbezug gefunden, den er vermisst hatte. Im zweiten Lehrjahr wird er gerade in der Instandhaltung eingesetzt. „Bisher hat mir das am besten gefallen, weil ich alle Anlagen kennenlerne und verstehe, wie sie funktionieren“, sagt der junge Mann. Dicke Aluminiumrundbarren verarbeitet die Firma zu filigranen Profilen, die an Auto- und Bau-Industrie gehen, beispielsweise für Schiebedächer und Rollokassetten. Der Betrieb mit rund 400 Mitarbeitern in Ense und Werl ist in dieser Gegend ein beliebter Arbeitgeber. „Trotzdem merken auch wir die Folgen des demografischen Wandels“, sagt Ausbildungskoordinator Dirk Bamberg: Für 2017 gibt es noch freie Lehrstellen.
Hilfe kommt auch von Arbeitgeberverbänden
Das Konzept, „von einem erfolglosen Studium in eine erfolgreiche Ausbildung“ zu vermitteln, wurde 2011 von „Switch“ entwickelt, einem gemeinsamen Projekt der Wirtschaftsförderung der Stadt Aachen, der Hochschulen, der Arbeitgeberverbände und der Industrie- und Handelskammer der Region. Die Agentur prüft die Voraussetzungen und schickt die Kurzprofile geeigneter Personen an die Partnerunternehmen.
Die ehemaligen Studenten können zwischen 18 und 35 Jahre alt sein und die unterschiedlichsten Fächer unterschiedlich lange studiert haben. Manche tragen sich erst mit dem Gedanken, der Hochschule den Rücken zu kehren, andere schlagen sich schon eine ganze Weile mit Gelegenheitsjobs durch. Die Arbeitgeber sind aber trotz des Knicks im Lebenslauf für alle aufgeschlossen, wie eine Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigt.
Der Alu-Verarbeiter hat nun zwei „Spurwechsel“-Azubis. Die beiden sind älter als ihre frisch von der Schule kommenden Kollegen und entsprechend reifer. Wolf unterstützt die Ausbildungsanfänger und hilft den Klassenkameraden in der Berufsschule. Unterfordert fühlt er sich nicht: „Die Firma ermöglicht mir viele externe Lehrgänge. Da lerne ich mehr über Drehen, Fräsen, Schweißen und Klebetechnik. Für meine tägliche Arbeit brauche ich nicht alles, aber so kann ich das Unternehmen im Ganzen besser verstehen.“ Projekte wie Switch und Spurwechsel machen es möglich, Vorkenntnisse anzurechnen und die Ausbildung deutlich zu verkürzen oder schon während der Ausbildung Module der Techniker- oder Meisterlehrgänge zu absolvieren. Das letzte Wort in dieser Frage hat freilich das Unternehmen.
Wolf konnte sich das Studium nicht anrechnen lassen, nutzen tut es ihm aber doch: „Für Prüfungen musste ich bisher nicht lernen.“ Die angehende Fachkraft geht als Ausbildungsbotschafter an die Schulen, nimmt Alu-Profile mit und erklärt Jugendlichen seinen Beruf. „Mir hatte früher ein Meister geraten, erst mal eine Ausbildung zu machen und dann zu studieren, weil man die Technik besser versteht“, sagt Wolf. Damals hatte er nicht darauf gehört: „Heute empfehle ich das auch.“ Sein Ziel: selbst Ausbilder werden.