Eines vorab: Es gibt kein Gesetz, das ein generelles Alkoholverbot für Arbeitsstätten enthält. Jeder Arbeitgeber kann selbst bestimmen, wie er den Umgang mit alkoholischen Getränken im Betrieb regelt. Und da hat sich viel getan. „Früher hat man sich vielerorts nicht am Konsum alkoholischer Getränke während der Arbeitszeit gestört“, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht in Köln. Das sei heute anders.
Dem Arbeitsschutz geschuldet: Null Promille für Arbeitnehmer im Gefahrenbereich
Nicht alle Unternehmen sind gleich rigide. Strenge Maßstäbe werden überall dort angelegt, wo mit empfindlichem Gerät gearbeitet wird oder Rutsch- und Absturzgefahr besteht (beispielsweise bei Berufen wie Dachdecker, Kranführer oder Industriekletterer). Oder wo von Alkoholisierten eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann (etwa Busfahrer oder Piloten).
Man unterscheidet zwischen absolutem und relativem Alkoholverbot. Im ersten Fall gilt die Null-Promille-Grenze. Alkoholkonsum während der Arbeitszeit ist untersagt, es darf auch niemand „angetüdelt“ zur Arbeit erscheinen. Beim relativen Verbot dagegen ist der Genuss von Alkohol nicht verboten. Der Mitarbeiter darf sich jedoch nicht in einen Zustand versetzen, in dem er nicht mehr in der Lage ist, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Das besagt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das bis heute als Richtschnur gilt (BAG, 26.1.1995, 2 AZR 649/94).
Geburtstagsfeier im Kollegenkreis: Nach Corona vielleicht wieder
In der Pause mit einem Kollegen auf den runden Geburtstag anzustoßen, das konnte man vor Corona tun und wenn es die Pandemie erlaubt, geht das irgendwann im kleinen Kreis hoffentlich auch wieder. Natürlich sollte man die Abstandsregeln beachten. Wer ganz sicher gehen will, bittet vorher den Chef um Erlaubnis – auch ob bei der Feierstunde ein Gläschen Sekt ausgeschenkt werden darf – und lädt ihn bei der Gelegenheit vielleicht gleich mit ein.
Betrunkener Arbeitnehmer: Dann muss der Chef eingreifen
Das sollte nicht passieren, dass eine solche Feier entgleist und am Ende dabei mehr gebechert wird. Auch vor Corona musste hier der Vorgesetzte einschreiten, denn er hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Auffällige Personen darf er grundsätzlich zwar nicht zum Alkoholtest zwingen.
Doch er muss sie ansprechen und anhand von Indizien wie Lallen, schwankendem Gang oder Alkoholfahne entscheiden, was er zu ihrem Schutz unternimmt. Oberthür: „Im Zweifelsfall muss der Vorgesetzte den alkoholisierten Mitarbeiter ins Taxi setzen und zum Ausnüchtern nach Hause schicken – falls nötig, begleitet von einem Kollegen.“ Die Fahrtkosten trägt der Mitarbeiter.
Sturzbetrunken einen Unfall verursacht: Da kann sich die Versicherung querstellen
Noch ein wichtiger Punkt: Ist Alkohol im Spiel, ist ein Unfall im Betrieb schnell passiert. Bei der Frage, ob die gesetzliche Unfallversicherung haftet, kommt es darauf an, ob der Verunglückte zu dem Zeitpunkt nur angeheitert oder sturzbetrunken war. Die Grenzen sind fließend, im Unterschied zum Strafrecht existieren keine festen Promillegrenzen.
War der Mitarbeiter so blau, dass er seine Arbeit nicht mehr verrichten konnte, spricht man von „Leistungsausfall“. Und wo keine Arbeit möglich ist, liegt auch kein Arbeitsunfall vor, so die Logik der Versicherer, die in diesem Fall die Haftung ablehnen.
Handelt es sich dagegen lediglich um einen Leistungsabfall, verursacht durch moderateren Alkoholkonsum, fällt dies unter Umständen noch unter den Versicherungsschutz, da der Mitarbeiter rein rechtlich gesehen eine versicherte Tätigkeit durchführt. „Es kommt aber darauf an, welche Rolle der Alkohol bei dem Unfallhergang spielt“, erläutert Oberthür. War dieser die dominierende Ursache, so entfällt meist der Versicherungsschutz.
Arbeitsunfall vor der Toilette: Auch das ist im Einzelfall möglich
Die Auslegung treibt im Einzelfall seltsame Blüten. Sogar eine feuchtfröhliche Feier fällt bisweilen unter den Versicherungsschutz. Beispiel: eine abendliche Vertriebsveranstaltung mit gemeinsamem Abendessen und Weingenuss. Sie dauerte bis lange nach Mitternacht. Auf dem Weg zur Toilette knickte eine Mitarbeiterin, die schon ein paar Gläschen intus hatte, um. Arbeitsunfall! Die Veranstaltung hatte dienstlichen Charakter, die Frau musste teilnehmen – und der Alkoholgenuss war nicht der alleinige Grund, denn beim Sturz war eine Treppe involviert (Sozialgericht Dortmund, 1.2.2018, S 18 U 211/15).
Auch wenn dies die Gerichte häufig beschäftigt – nicht immer geht es beim Thema Getränke am Arbeitsplatz um Alkohol. Schließlich werden in Betrieben auch so „harmlose“ Dinge wie Kaffee, Tee oder Saft konsumiert.
Im Büro Essen oder Trinken: Das kann unter bestimmten Umständen verboten sein
Der Arbeitgeber hat das Weisungsrecht und darf vorgeben, dass am Arbeitsplatz nicht gegessen und getrunken wird – sinnvoll ist das zum Beispiel an Orten mit Kundenverkehr oder in sensiblen Arbeitsumgebungen. Kaum vorstellbar, dass jemand im Reinraum einer Chipfabrik an seinem Caffè Latte nippt. Oder ein Bankberater während der Arbeitszeit hinter dem Schalter einen kompletten Döner mit Beilagen verzehrt.
Kaffee- und Essensgeruch: Das kann schon mal Unfrieden bei Kollegen hervorbringen
Im Büro gibt es vielerorts ähnliche Spielregeln. So kann der Arbeitgeber verfügen, dass am Schreibtisch keine warmen Mahlzeiten eingenommen werden – dafür gibt es in den meisten Unternehmen schließlich die Kantine, auch in Corona-Zeiten.
Das Verbot hat auch praktische Gründe. Man stelle sich folgende Szene vor: Ein Mitarbeiter schiebt zur Mittagszeit sein mitgebrachtes Knoblauchbrot in die Mikrowelle und verzehrt die duftende Mahlzeit anschließend am Platz im Großraumbüro. Das ist selbst mit Abstandsregeln und Maske unangenehm. „So etwas will man verhindern, denn es sorgt schnell für Unfrieden unter den Kollegen“, so Oberthür.
Bei der Haftung kommt es auf den Einzelfall an
Und wer haftet, wenn ein Mitarbeiter ein Getränk über den PC oder eine technische Anlage schüttet? „Damit macht man sich im Zweifelsfall schadenersatzpflichtig“, so Oberthür. Die Haftung ist abgestuft. Kippt der Becher um, während man schnell zum Telefon greift, ist das eine einfache Fahrlässigkeit. Anteilig haftet der Mitarbeiter dagegen, wenn er sein Getränk etwa auf einer schmalen Kante oder einem wackeligen Aktenstapel abstellt. Vorsätzlich mit entsprechender Haftung handelt, wer den vollen Becher absichtlich über Tisch oder Maschine kippt.
Arbeitsstättenverordnung: Geeignete Maßnahmen gegen Hitze können auch Getränke sein
Übrigens: Auch wenn Getränke erlaubt sind, muss sie der Arbeitgeber nicht generell stellen. Laut Arbeitsstättenverordnung soll die Temperatur in Räumen 26 Grad Celsius nicht überschreiten. Andernfalls muss der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen ergreifen. Etwa Jalousien schließen, Ventilatoren aufstellen oder die Kleidungsvorschriften lockern – oder eben kalte Getränke stellen. Ob Cola, Wasser oder Apfelschorle entscheidet allerdings der Chef. Hauptsache kalt.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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