Wiesbaden. Die Corona-Krise streute Salz in eine uralte Wunde: die Gleichberechtigung von Mann und Frau. „Wir erleben eine entsetzliche Re-Traditionalisierung“, behauptete schon bald Professorin Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung (WZB). Damit traf sie einen empfindlichen Nerv: Hat uns Corona in Sachen Rollenverteilung tatsächlich in längst überholte Zeiten zurückkatapultiert? Mann macht Karriere, Frau steht am Herd?! Zum Glück nicht! aktiv erklärt eine wichtige Bestandsaufnahme.
Repräsentative Daten zeigen, wie sich das Familienleben während des Lockdowns entwickelte
Bereits erste Erkenntnisse aus Umfragen zeigten: Corona belastet Eltern ganz besonders. Sie müssen den Spagat zwischen Arbeit und Kinderbetreuung meistern. Erste Indizien etwa aus einer WZB-Studie waren so interpretiert worden, dass Frauen wieder in die Rolle der Heimchen am Herd gedrängt werden. Aber das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden gibt da nun sozusagen amtliche Entwarnung. Das Institut hat inzwischen anhand repräsentativer Daten genau untersucht, was in den Monaten des Lockdowns in Deutschlands Familien Sache war.
Jawohl: Frauen verbrachten während der Kita- und Schulschließung im Schnitt noch mehr Zeit als vorher mit Familien- und Hausarbeit, nämlich 7,9 statt zuvor 6,6 Stunden pro Tag. Jedoch: „Die Väter holten kräftig auf!"
„Viele Väter engagieren sich deutlich stärker in der Familienarbeit als vor der Corona-Krise."
Martin Bujard, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung
5,6 statt davor 3,3 Stunden am Tag arbeiteten die Papas im Schnitt zu Hause mit. Allerdings unterscheidet sich die heimische Arbeitsteilung je nach Situation der Eltern deutlich. Papas in Kurzarbeit übernahmen sogar 8 Stunden Familienarbeit pro Tag (und waren damit überwiegend durchaus zufrieden).
Forscher beobachten mehr Gleichstellung zumindest während der Corona-Zeit
Bilanz: Der Väteranteil an der gesamten Familienarbeit ist im Lockdown von 33 auf 41 Prozent gestiegen! „Eine pauschale Re-Traditionalisierung in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung lässt sich empirisch nicht bestätigen“, so BiB-Forschungsleiter Martin Bujard. „Im Gegenteil: Viele Väter engagieren sich deutlich stärker in der Familienarbeit als vor der Corona-Krise.“
Wie kam es dazu? Bujard nennt als mögliche Gründe, dass mehr Väter von Kurzarbeit betroffen sind als Mütter. Auch arbeitet von den Müttern ein größerer Teil (gut die Hälfte!) in sogenannten systemrelevanten Berufen, war also weiterhin im Job stark gefordert.
Aus der überraschenden Entwicklung lässt sich jedoch kaum ablesen, wie sich die Rollenverteilung in der Zukunft weiterentwickeln wird. Wido Geis-Thöne ist Experte für Familienpolitik am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Er betont: „Die aktuellen Studien zur Rollenverteilung zeichnen ein kurzfristiges Stimmungsbild aus einer ganz speziellen, extremen Situation.“ Es ließen sich daraus kaum allgemeine Prognosen für die Zukunft ablesen.
Frauen leiden in Deutschland stärker unter der Pandemie
Fakt ist: Unter der Pandemie leiden (trotz stärkerer Mitarbeit der Männer im Haushalt) die Frauen und vor allem die Mütter stärker; sie fühlen sich häufiger deprimiert und überlastet. Diesen Befund ergaben auch andere Umfragen.
Auch daher sei es wichtig, so die BiB-Forscher, dass sich die Corona-bedingte Zusatzbelastung vor allem für Eltern in den kommenden Monaten nicht verstetige: „Bei einer möglichen zweiten Welle sollte der Betreuung durch Schulen und Kitas eine höhere Priorität eingeräumt werden.“