Energie und Lithium gewinnen – mit Geothermie

Der Krieg in der Ukraine macht uns klar: Deutschland muss die Energieerzeugung und die Rohstoffgewinnung im Inland ausbauen. Eine Lösung bieten tiefe geothermische und erneuerbare Energien: Zusammen mit der oberflächennahen Geothermie könnte diese Technologie bis 2030 rund ein Fünftel des deutschen Wärmebedarfs decken und damit einen erheblichen Teil der russischen Erdgasimporte ersetzen. Besonders spannend: Auch Lithium, unersetzliche Komponente in Batterien für Handys, E-Autos und erneuerbare Energiespeicher, ließe sich mit dem Verfahren gewinnen – unter anderem in Rheinland-Pfalz.

Experte dafür ist das deutsch-australische Unternehmen Vulcan Energie Ressourcen aus Karlsruhe. Im südpfälzischen Insheim steht bereits eine große Anlage für das Verfahren. Denn im Oberrheingraben existiert eines der weltweit größten Lithium-Vorkommen, gelöst im Thermalwasser unterirdischer Stauseen. Dank einer speziellen Technologie lässt sich das Leichtmetall aus dem an die Oberfläche gepumpten Thermalwasser filtern. Das Geothermiekraftwerk wandelt bereits heißes Wasser aus rund 3.000 Meter Tiefe in Strom und Wärme um.

Das an die Oberfläche gepumpte Wasser läuft durch spezielle Filter (Sorptionsmittel) der Pilotanlage, die die Lithium-Ionen anziehen. Danach läuft das Thermalwasser in einem geschlossenen Kreislaufsystem in das natürliche Reservoir zurück. Der mittlere Lithiumgehalt der tiefen Reservoire beträgt laut Unternehmen 180 Milliliter pro Liter Wasser: „Insgesamt könnte man mit dem Verfahren aber schon 95 Prozent des vorhandenen Lithiums herausfiltern“, sagt Horst Kreuter, Geschäftsführer von Vulcan Energie Ressourcen. Noch dieses Jahr soll eine Demonstrationsanlage in Betrieb gehen, die Tonnen von Lithiumhydroxid pro Monat erzeugen kann. Das Insheimer Geothermiekraftwerk könnte also in Kürze im großen Maßstab Lithium fördern. Die kommerzielle Produktion von Lithium plant Vulcan Energie 2024. Allein in Europa, schätzen Experten, werden bis 2030 rund eine Million Tonnen Lithiumchemikalien pro Jahr benötigt – dreimal so viel wie heute.

Herr über die Algen

Der Zauberformel zur Weltrettung ist Michael Lakatos (53), Arbeitsgruppenleiter für Integrative Biotechnologie an der Hochschule Kaiserslautern, auf der Spur: Sie lautet „Waste2Value“, also „Abfall zu Wert“. Die Idee: Mikroorganismen, die man in Algen, Cyanobakterien und Bakterien findet, sollen zum Beispiel Farbstoffe aus CO2 und Sonnenlicht herstellen.

Oder Treibstoffe aus Pizzaresten sowie clevere Kunststoffe, die sich selbst abbauen. Zudem sind die Organismen ein entscheidender Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Für das Projekt, an dem sich Wissenschaft und Wirtschaft beteiligen, fließen nun bis zu 16 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in die Westpfalz.

Seine wichtigsten Mitarbeiter, die Algen, findet der Biologe allerdings nicht im Wasser. Sondern sammelt sie in Baumspitzen im Pfälzer Wald, die er mithilfe seines Forschungsturms erreicht. Die Hochschule beherbergt inzwischen die weltweit größte Sammlung „terrestrischer Cyanobakterien“. Das Potenzial dieser Organismen, die nur sehr wenig Wasser zum Leben benötigen, ist gewaltig: „Mit ihrer Hilfe lassen sich erdölbasierte Erzeugnisse durch biobasierte Produkte ersetzen“, so der Forscher. Rund 25 Prozent aller in Deutschland produzierten Kunststoffe könnten über biogene Reststoffe erzeugt werden – das spart jährlich acht Millionen Tonnen Kohlendioxid.

Lakatos nutzt, dass Cyanobakterien Kohlendioxid umwandeln können – zum Beispiel in blauen Farbstoff. „Das ist ein natürlicher Farbstoff, den man essen kann“, erklärt der Forscher. Der Stoff eigne sich für Lebensmittel, Kinderspielzeug oder Wandfarbe. Andere Bakterien verwandeln Stroh oder Pizzareste in Äthanol oder Butanol – begehrte Rohstoffe für die Kosmetik- oder Klebstoffindustrie. Es geht noch mehr: „Man kann aus alten Backwaren auch Grundstoffe für Bioplastik herstellen“, so der Naturwissenschaftler. Im Idealfall bauen sich die neuen Kunststoffe selbst ab.

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Diese und andere Grundstoffe mithilfe von Mikroorganismen aus Abfällen und nicht auf Basis von Pflanzen zu erzeugen, hätte auch den Vorteil, dass große Anbauflächen entfallen. Für dennoch dringend benötigte Flächen hat Lakatos folgenden Vorschlag: „In den Städten könnten Algenflächen an Häuserfassaden wachsen, in denen Bioreaktorsysteme integriert sind.“

Wir sind steinreich

Ohne Mineralien geht in unserer Gesellschaft gar nichts: Der begehrte Rohstoff steckt nicht nur in Straßen und Häusern, sondern in nahezu jedem Alltagsgegenstand von der Zahnpasta über Solarzellen bis hin zu Computerchips.

Zum Glück ist Rheinland-Pfalz reich an diesen Rohstoffen: Jedes Jahr fördern mehr als 260 Unternehmen 36,5 Millionen Tonnen Steine und Erden. Rund 25.000 Arbeitsplätze stehen mit dieser Rohstoffgewinnung in Zusammenhang. Der Flächenanteil zur Rohstoffgewinnung liegt mit 0,2 Prozent übrigens unter dem bundesweiten Durchschnitt von 0,5 Prozent.

Gewonnen werden in erster Linie vulkanisches Hartgestein (8.000.000 Tonnen, entspricht 22 Prozent der in RLP abgebauten Steine und Erden), gebrochene Natursteine (6.950.000 Tonnen oder 19 Prozent), Lavasand (4.780.000 Tonnen oder 13 Prozent) sowie Sand und Kies (4.600.000 Tonnen oder 13 Prozent). Dieser Bodenschatz ist für die Wertschöpfungskette und besonders für die Infrastruktur ein Segen. Da sehr viel Gestein im Straßenbau steckt (siehe Grafik), wird möglichst viel in Form von Straßenaufbruch oder Bauschutt recycelt.

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Sabine Latorre
Leiterin aktiv-Redaktion Rhein-Main

Dr. Sabine Latorre ist spezialisiert auf Themen aus der Chemie- und Pharma-Industrie. Sie liebt es, komplizierte Zusammenhänge einfach darzustellen – so schon vor ihrer Zeit bei aktiv als Lehrerin sowie als Redakteurin für die Uniklinik Heidelberg und bei „BILD“. Nebenbei schreibt sie naturwissenschaftliche Sachbücher für Kitas und Schulen. Privat reizen sie Reisen sowie handwerkliche und sportliche Herausforderungen.

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