München. Der Mann am anderen Ende wittert ein Geschäft. „Ich bin sofort da“, bellt er in den Hörer. Zehn Minuten später biegt ein dunkler Daimler auf den Parkplatz des ausgemachten Treffpunkts, einem Getränkemarkt.
Zwei Männer, offensichtlich Araber, steigen aus. Knappes Kopfnicken, dann umkreisen die beiden das Objekt ihrer Begierde wie Raubtiere die Beute: einen blauen Opel, ordentlich gepflegt, aber viele Kilometer.
Restwert laut Liste: 1.800 Euro. Der Besitzer will ihn loswerden und hat die Nummer auf der bunten Visitenkarte angerufen, die kürzlich an der Scheibe steckte. Slogan: „Kaufe jedes Auto, zahle bar.“ Die Ernüchterung kommt schnell: „600 Euro, mehr geht nicht“, sagt einer der Araber. Dem Opel-Fahrer schwant jetzt: Das könnte zäh werden hier.
Kärtchenhändler – Millionen von Autofahrern schwillt da der Kamm. Weil die grellbunten „Wollen Sie Ihr Auto verkaufen“-Visitenkarten mächtig nerven. Und weil die Methoden der fliegenden Autohändler als windig gelten.
Die Masche: Das Auto wird systematisch schlechtgeredet
Wie viele Kärtchenhändler es gibt, lässt sich kaum ermitteln. Aber haben sie ihr Rosstäuscher-Image überhaupt verdient?
„Eigentlich nicht, Kärtchenhändler sind keineswegs allesamt unseriös“, lautet das überraschende Urteil der Branchenkennerin Silvia Schattenkirchner. Die Juristin leitet die Abteilung Verbraucherschutz und Recht beim ADAC in München. Sie klingt fast anerkennend: „Zumeist sind das fliegende Händler ohne eigene Werkstatt. Aber alle sind absolute Profis. die sich perfekt mit Gebrauchtwagen auskennen, jedes Detail wissen.“
Ihre Sachkenntnis setzen sie geschickt ein. „Die Masche ist immer gleich“, sagt Schattenkirchner. „Die Händler gehen ums Auto rum und reden es systematisch schlecht, jeder Kratzer wird bemäkelt.“ Das Ziel ist klar: „Den Preis drücken, um den Profit zu maximieren.“ Dennoch: „Zumindest für Besitzer älterer Autos, die ihren Wagen schnell loswerden wollen, können Kärtchenhändler eine mögliche Option sein.“
Zurück auf dem Parkplatz des Getränkemarkts: Der verkaufswillige Besitzer des blauen Opels hat sich mit dem ersten Händler nicht einigen können. Also nächstes Kärtchen. Kurz darauf schälen sich vier Libanesen aus einem Ford Fiesta. Während drei der Burschen ihre Pranken abwechselnd in einer Flipstüte versenken, beäugt der Wortführer den Opel mit gerunzelter Stirn.
„Kilometer?“ Tja, das sind schon über 220.000. „Oh, zu viel …“
„Klimaanlage?“ Hat er. „Kilometer?“ Tja, das sind schon über 220.000. „Oh, zu viel.“ Sein letztes Gebot nach 15 Minuten basaresker Feilscherei: „1.000 Euro.“ Statt der erhofften 1.800. In Deutschland, versichert der Libanese, könne er „die Karre nicht mehr verkaufen, die taugt nur für Export“.
Der blaue Opel – er würde sich dann einreihen in eine wahre Altblech-Karawane. Die Hauptziele: Osteuropa und Afrika. Gut 1,7 Millionen Gebrauchtwagen wurden nach amtlichen Zahlen 2015 von Deutschland aus ins Ausland exportiert. „Allein 610.000 davon wurden in Polen anschließend wieder neu zugelassen“, erklärt ein Sprecher des Kraftfahrt-Bundesamts in Flensburg auf Anfrage von AKTIV. Weitere 190.000 gingen nach Rumänien, 103.000 nach Tschechien.
Auch in Afrika rumpeln mittlerweile wohl Hunderttausende alte Kisten aus Deutschland: 112.000 Gebrauchte wurden laut Generalzollamt allein 2015 dorthin exportiert. „Die meisten“, so ADAC-Expertin Schattenkirchner, „dürften auf das Konto der Kärtchenhändler gehen. Viele haben gute Kontakte zu Exporteuren.“
Ist das jetzt gut? Fakt ist: Neuwagen sind für viele Osteuropäer oder Afrikaner noch immer nahezu unerschwinglich. Abgelegte Karossen aus Deutschland dagegen nicht. Sie sorgen somit für Mobilität in diesen Ländern. Und aufgrund des hohen Energiebedarfs bei der Fahrzeugproduktion befürworten auch Umweltexperten das zweite Autoleben im Ausland. Trotz meist veralterter Abgastechnik.
Nur: Irgendwann ist für jedes Auto Feierabend. Rund eine halbe Million werden hierzulande laut Umweltbundesamt jährlich verschrottet. Vom Fahrzeuggewicht, durchschnittlich eine Tonne, landet aber nur ein Zehntel endgültig auf der Deponie – der Rest wird wiederverwertet, darunter wertvolle Metalle. So stecken in einem Mittelklassewagen allein etwa 25 Kilo Kupfer. Ob Altfahrzeuge aber in Afrika sachgemäß recycelt werden, darf man leise bezweifeln.
Wieder vor dem Getränkemarkt. Der vierte Kärtchenhändler steigt gerade genervt in seine Limousine und rauscht ab. Bestes Angebot: 1.400 Euro. Dem Besitzer war das zu wenig. Er will jetzt erst mal Autowaschen gehen …
Fünf Tipps für den Autoverkauf
- „Zuerst Informationen über den Restwert einholen“, rät Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen. Zum Beispiel unter schwacke.de
- Zeitdruck kostet Geld! Hummel: „Die Händler wollen schnell zum Abschluss kommen.“ Nie das erste Angebot akzeptieren. „Immer mehrere Händler anrufen.“
- Stur bleiben! Lassen Sie den Händler ruhig wegfahren. Zur Not noch mal anrufen und den Preis akzeptieren.
- Bestehen Sie auf einem schriftlichen Kaufvertrag!
- Auto vorher abmelden! Der Händler hat immer rote Nummernschilder dabei.